1.1 Verhältnis von Zollrecht und Mehrwertsteuerrecht
Bis zum 31.12.2020 gehört das VK zollrechtlich zum Gebiet der EU. Seit dem 01.01.1993 gibt es somit keine Zollgrenze der EU zum VK mehr (sog. Binnenmarkt, vgl. Art. 14 EGV, bzw. Art. 26 AEUV). Demzufolge spielen zollrechtliche Vorschriften für Geschäfte mit Warenbewegungen zwischen dem VK und Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Die meisten Transaktionen unterliegen vielmehr den Vorschriften des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (vgl. dazu Teil F).
Der Austritt des VK aus der EU wurde zum 31.01.2020 wirksam. Im Januar 2020 haben sich das VK und die EU jedoch auf ein Austrittsabkommen verständigt. Dieses sah eine befristete Weitergeltung der Zollunion (vgl. Art. 127 des Abkommens) bis zum 31.12.2020 (vgl. Art. 126 des Abkommens) vor. Damit werden zollrechtliche Folgen für Warenbewegungen zwischen der EU und dem VK erst nach dem 31.12.2020 relevant. Eine Verlängerung des Übergangszeitraums, die möglich gewesen wäre, wurde nicht vereinbart. Die Ausführungen im Abschnitt zur Rechtslage vor dem zollrechtlichen Wirksamwerden des Austritts des VK aus der EU sollen lediglich einen Überblick zu zollrechtlich relevanten Transaktionen bieten, die durch den Austritt signifikant verändert werden. Der weitaus größte Teil der Auswirkungen ergibt sich im Spannungsfeld zwischen mehrwertsteuerlicher und zollrechtlicher Behandlung.
1.2 Unionszollkodex als Rechtsgrundlage des Zollrechts in der EU
Seit dem 01.05.2016 bildet der Zollkodex der EU (Unionszollkodex, UZK) die gesetzliche Grundlage für das Zollrecht in allen Mitgliedstaaten. Er ist unmittelbar wirkendes Unionsrecht, das keiner ausdrücklichen Umsetzung in nationales Recht bedarf. Zusätzlich relevant sind die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 vom 28.07.2015 und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 vom 24.11.2015. Dementsprechend gibt es kein deutsches "Zollgesetz".
1.3 EORI-Nummer als wesentliches Identifikationsmerkmal im Zollrecht
Grundsätzlich ist jeder Wirtschaftsbeteiligte i. S. d. Zollrechts in der EU berechtigt und verpflichtet, eine EORI-Nummer (Economic Operators' Registration and Identification number = Nummer zur Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten) zu beantragen (vgl. Art. 1 Nr. 18 UZK-DA und Art. 7 Abs. 2 UZK-IA). Es handelt sich um ein europaweit einheitliches Merkmal zur Identifizierung. Demzufolge kann ein Unternehmen grundsätzlich innerhalb der EU nur eine solche Nummer besitzen. Aufgrund von Übergangsvorschriften sind allerdings Fälle denkbar, in denen Unternehmen für rechtlich unselbstständige Teile (Niederlassungen) getrennte Nummern erhalten haben. Die früher relevante Zollnummer ist mittlerweile durch die EORI-Nummer ersetzt worden.
1.4 ATLAS-Verfahren
Die deutsche Zollverwaltung setzt als Regelmethode für sämtliche zollrechtlich relevanten Anmeldungen und Erklärungen das sog. ATLAS-System (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zoll-Abwicklungs-System) ein. Alternativ kann ggf. die sog. Internetzollanmeldung genutzt werden. Damit folgt Deutschland den Vorschriften der EU, die grundsätzlich eine digitale Abgabe von Zollanmeldungen fordern (vgl. Art. 5 Nr. 12 und Art. 6 Abs. 1 UZK).
Die Abgabe von Zollanmeldungen in Papierform (auf dem sog. Einheitspapier als EU-weit vorgeschriebener Vordruck, vgl. dazu Beispiel im Anhang unter Abschnitt 2.8) ist nur in Ausnahmefällen gestattet (vgl. Art. 5 Nr. 12 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 UZK). Insbesondere ist sie zulässig, wenn ein Unternehmen oder eine Person nur gelegentlich Zollanmeldungen abgibt (vgl. Art. 6 UZK-DA https://www.kleinanzeigen.at/Ruhige-Garconniere-im-Herzen-von-Innsbruck-4381817.html). Der Begriff gelegentlich ist als "nicht mehr als zehn in einem Jahr" zu verstehen (https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/EORI-Nummer/Verwendung-der-EORI-Nummer/verwendung-der-eori-nummer_node.html, abgerufen am 18.06.2021).
Zollanmeldungen können in Sonderfällen auch mündlich (vgl. Art. 135 bis 137 Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446) oder durch andere Willensäußerung, definiert als ein klar erkennbares Verhalten (vgl. Art. 138 bis 140 Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446), abgegeben werden. Wenn z. B. ein Reisender am Flughafen den sog. grünen Ausgang benutzt, handelt er i. S. d. zitierten Verordnung.
1.5 Anmelder
1.5.1 Grundsätze
Eine Zollanmeldung darf nur von einer dazu berechtigten Person abgegeben werden (vgl. Art. 158 Abs. 1 UZK). Grundsätzlich muss diese Person in der EU ansässig sein (vgl. Art. 170 Abs. 2 UZK). Personen aus Drittstaaten qualifizieren somit nicht. Als Abweichung hiervon kann in Ausnahmefällen nicht in der Union ansässigen Personen eine Anmeldung gestattet werden. In der deutschen Umsetzung setzt dies voraus, dass nur gelegentlich Waren zur Überlassung zum freien Verkehr angemeldet werden und die Zollbehörde weiterhin die Ausnahme für gerechtfertigt hält. Gelegentlich wird als weniger als zehnmal im Jahr verstanden und gerechtfertigt bedeutet, dass i. d. R. nur ein geringes Abgabenausfallrisiko bestehen darf. Im Verhältnis zur Schweiz und zu Liechtenstein gilt bei den sog. grenznahen Zollstellen eine Ausnahme, die in beiden Staaten ansässigen Personen die Abgabe von Zollanmeldungen gestattet.
1.5.2 Vertretung
Zollrechtlich besteht die Möglichkeit, dass ein ...