Leitsatz
1. Bei der Ermittlung des Verlusts i.S.v. § 17 EStG aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder der Auflösung der Gesellschaft dürfen die Anschaffungs- und die Veräußerungskosten gemäß § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. durch das JStG 2010 auch dann nur zu 60 % abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige zwar keine durch seine Beteiligung vermittelten Einnahmen erzielt hat, aber mit der Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen gehandelt hat.
2. § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist verfassungsgemäß.
3. Ein steuerfreier Zuschuss ist nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG ausschließlich mit den Beiträgen für die Basisleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu verrechnen.
Normenkette
§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 3a, § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1, § 17 Abs. 4, § 52 Abs. 8a Satz 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war zu 20 % an einer GmbH beteiligt. Im März 2011 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft. Der Kläger realisierte daraus noch im Jahr 2011 einen Verlust von 25.000 EUR. Nach Angaben des Klägers hatte er aus der Beteiligung keinerlei Einnahmen erzielt. Das FA berücksichtigte den Verlust gleichwohl nur in Höhe von 60 %. Das FG hat die Klage abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 6.9.2013, 3 K 230/13, Haufe-Index 6205807, EFG 2014, 118).
Entscheidung
Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Der BFH war nicht von der Verfassungswidrigkeit der Neuregelung überzeugt.
Hinweis
Den Gegenstand der Entscheidung bilden zwei Fragen, die nichts miteinander zu tun haben. Die im Leitsatz 3 behandelte Frage wird in dieser Anmerkung nicht behandelt. Hier geht es nur um die Neuregelung in § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG, die nun in aller Regel zur Anwendung des Teilabzugsverbots führt, auch wenn Einnahmen aus der Beteiligung nicht erzielt worden sind.
1. Nach der Rechtsprechung des BFH kam das Teilabzugsverbot bei § 17 EStG nicht zur Anwendung, wenn aus der veräußerten Beteiligung über die gesamte Dauer der Beteiligung keinerlei "Einnahmen" erzielt wurden (z.B. BFH, Urteil vom 25.6.2009, IX R 42/08, BFH/NV 2009, 1969). Das ergab sich nicht nur aus dem Wortlaut der Norm, sondern der BFH erkannte insofern auch eine Störung des objektiven Nettoprinzips.
2. Der Gesetzgeber hat die Rechtsprechung zum Anlass genommen, in § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG (2010) anzuordnen, dass die Absicht zur Erzielung von Einnahmen ausreicht. Diese Regelung ist erstmals ab dem VZ 2011 anzuwenden.
a) Das FG hat dazu entschieden, die Absicht müsse nicht im Veranlagungszeitraum der Veräußerung, sondern sie könne auch in einem früheren Veranlagungszeitraum der Beteiligung vorgelegen haben. Darauf kam es jedoch nicht an, denn der Beschluss, die Gesellschaft zu liquidieren, kam im Streitfall unterjährig zustande.
b) In der Sache wird man dem FG kaum widersprechen können, mit der Folge, dass die Absicht – wie im Streitfall – quasi ausnahmslos anzunehmen sein wird. Problematisch ist dies, wenn keinerlei Einnahmen erzielt worden sind, an denen sich der Vorteil der teilweisen Besteuerung realisiert, während die Verluste in voller Höhe tatsächlich getragen werden müssen. Von Interesse war deshalb, ob der BFH die Korrektur seiner Rechtsprechung durch den Gesetzgeber hinnehmen oder aus verfassungsrechtlichen Gründen beanstanden würde.
3. Der Senat hat es nicht als verfassungswidrig angesehen, wenn der Gesetzgeber "unter Einschränkung des objektiven Nettoprinzips" die Höhe des tatsächlich steuerfreien Veräußerungspreises unbeachtet lässt. Dies diene vor allem der Vereinfachung der Rechtsanwendung. Die Anschaffungs- und Veräußerungskosten können also auch dann nur zum Teil abgezogen werden, wenn nachweislich aus der Beteiligung nur sehr geringe oder im Einzelfall auch keinerlei Einnahmen erzielt wurden. Ob das der Fall war, muss in Zukunft nicht mehr aufgeklärt werden. Die bisherige Rechtsprechung hat nur noch für Altfälle Bedeutung, auf die § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG noch nicht anwendbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.9.2014 – IX R 43/13