Leitsatz
Hängen Schuldzinsen mit dem Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zusammen, mit der in einem späteren Veranlagungszeitraum ein Organschaftsverhältnis begründet wird, unterliegen die Schuldzinsen insoweit anteilig dem Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG, als die Kapitalgesellschaft während des Bestehens der Organschaft Gewinne aus vororganschaftlicher Zeit ausschüttet. Der dem Teilabzugsverbot unterliegende Teil der Schuldzinsen ergibt sich aus dem Verhältnis der Gewinnausschüttung zu dem in demselben Jahr zugerechneten Organeinkommen.
Normenkette
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, § 3c Abs. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG, § 14 Abs. 1 KStG, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO
Sachverhalt
Die Gesellschafter der klagenden GmbH & Co. KG waren zugleich Mehrheitsaktionäre einer AG und hielten die Aktien in ihrem Sonderbetriebsvermögen. Mit Wirkung vom 1.1.2002 wurde ein Organschaftsverhältnis zwischen der KG und der AG geschlossen. Im Jahr 2002 schüttete die AG den Gewinn des Jahres 2001 an die Kommanditisten aus. Die Ausschüttungen wurden unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens mit dem halben Betrag als Sonderbetriebseinnahmen festgestellt. Das Einkommen der AG für das Jahr 2002 wurde der KG als Organträgerin zugerechnet.
Einige Kommanditisten hatten den Erwerb der Aktien fremdfinanziert. Das FA war der Meinung, die als Sonderbetriebsausgaben behandelten Schuldzinsen seien im Jahr 2002 nach § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte abziehbar, soweit sie anteilig auf die Ausschüttung entfielen. Der anteilige Betrag wurde nach dem Verhältnis von Ausschüttung und Organeinkommen bestimmt.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die KG Klage. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwei der von der Kürzung betroffenen Kommanditisten ausgeschieden. Nach Klageerhebung wurde die KG aufgelöst und vollbeendet. Das FG war der Meinung, alle noch beteiligten Kommanditisten seien prozessuale Rechtsnachfolger geworden, und lud außerdem die ausgeschiedenen Kommanditisten notwendig bei. Anschließend wies es die Klage ab (FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 1.2.2016, 1 K 1145/12, Haufe-Index 9396664, EFG 2016, 1013).
Entscheidung
Der von den – in der FG-Entscheidung als Kläger bezeichneten – Kommanditisten erhobenen Revision gab der BFH in Bezug auf zwei Gesellschafter statt. Diese hätten ihre Aktien nicht fremdfinanziert und seien von der mit der Klage beanstandeten Kürzung von Schuldzinsen nicht betroffen. Das FG habe sie zu Unrecht als Rechtsnachfolger der KG betrachtet, weil die KG nicht als Prozessstandschafterin in ihrem Namen geklagt habe. Die Revision der anderen Kommanditisten wies der BFH als unbegründet zurück. Das FA habe die Schuldzinsen dem Grunde und der Höhe nach zutreffend gekürzt.
Hinweis
1. In materieller Hinsicht betrifft das Urteil die Frage, ob Schuldzinsen für einen fremdfinanzierten Erwerb einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung nach späterer Begründung einer Organschaft mit der Kapitalgesellschaft auch dann ungekürzt abziehbar sind, wenn in Jahren geltender Organschaft noch Ausschüttungen von vororganschaftlichen Gewinnen der Kapitalgesellschaft stattfinden.
Für die Zurechnung des Organeinkommens nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStGgilt das Teileinkünfteverfahren nicht. Folglich sind auch alle mit der Organgesellschaft zusammenhängenden Ausgaben ungekürzt abziehbar. Mit der Begründung der Organschaft geht aber nicht der bisherige Zusammenhang mit den dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Einkünften verloren. Werden während der Organschaft Ausschüttungen von vororganschaftlichen Gewinnen bezogen, gilt für die Einnahmen die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG. Zugleich unterliegen die Ausgaben der anteiligen Kürzung. Das betrifft nach Meinung des BFH auch die im Ausschüttungsjahr verausgabten Schuldzinsen. Diese müssen anteilig dem Organeinkommen und den vororganschaftlichen Ausschüttungen zugeordnet werden.
2. Verfahrensrechtlich stellt der BFH klar, wer prozessualer Rechtsnachfolger einer Personengesellschaft ist, wenn diese nach Klageerhebung vollbeendet wird. Rechtsnachfolger sind alle Gesellschafter, die bei Klageerhebung beteiligt und zugleich von dem Rechtsstreit inhaltlich betroffen waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.7.2019 – IV R 61/16