LfSt Niedersachsen, Schreiben vom 24.5.2023, S 2241 - St 221/St 222-864/2023
I. BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2011, BStBl I 2011 S. 1279
Nach Rz. 15 des o. b. BMF-Schreibens vom 8. Dezember 2011, a. a. O., ist die Frage, ob eine teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts vorliegt, nach den Grundsätzen der „strengen Trennungstheorie” anhand der erbrachten Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts zu prüfen. Liegt die Gegenleistung unter dem Verkehrswert, handelt es sich um eine teilentgeltliche Übertragung, bei der der unentgeltliche Teil nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert zu übertragen ist. Hinsichtlich des entgeltlichen Teils der Übertragung liegt eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor und es kommt insoweit zur Aufdeckung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts.
II. BFH-Urteil vom 19. September 2012, IV R 11/12, BFH/NV 2012, 188
Der BFH hat mit dem o. b. Urteil vom 19. September 2012, a. a. O., entschieden, dass die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Personengesellschaft nicht zur Realisierung eines Gewinns führt, wenn das Entgelt den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht übersteigt. Nach Auffassung des IV. Senats des BFH ist bei einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem erbrachten Teilentgelt der gesamte Buchwert des Wirtschaftsguts gegenüberzustellen.
III. BMF-Schreiben vom 12. September 2013, BStBl I 2013 S. 1164
Mit dem o. b. BMF-Schreiben vom 12. September 2013, a. a. O., hat die Finanzverwaltung die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 19. September 2012, a. a. O., im Bundessteuerblatt Teil II im Hinblick auf das seinerzeit beim X. Senat des BFH anhängige Revisionsverfahren X R 28/12 zunächst zurückgestellt. Anhängige Einsprüche sollten bis zur endgültigen Klärung der Problematik gemäß §363 Abs. 2 S. 2 AO kraft Gesetzes ruhen.
IV. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2015, X R 28/12, BStBl II 2016 S. 81 (Verfahren beim Großen Senat unter dem Az.: GrS 1/16)
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2015, a. a. O., hat der X. Senat des BFH dem Großen Senat (Az.: GrS 1/16) die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, wie im Fall der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers (Einzelbetrieb) in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG) die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übertragungsvorgang zu ermitteln ist. Der X. Senat des BFH tendierte in seinem Vorlagebeschluss dazu, der Verwaltungsauffassung zu folgen.
Nach Erledigung der Hauptsache aus anderen Gründen in dem Verfahren X R 28/12 hat der X. Senat den Vorlagebeschluss aufgehoben. Daraufhin wurde das o. b. Verfahren beim Großen Senat mit Beschluss vom 30. Oktober 2018, BStBl II 2019 S. 70, eingestellt.
V. BFH-Urteil vom 15. Januar 2020, X R 18 und 19/18, BStBl II 2020 S. 538
In dem Verfahren war strittig, ob die Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft einen Veräußerungsgewinn auslöste und ob das Grundstück einem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen war.
Im Streitfall vermietete der Rechtsvorgänger der Kläger (A) ein bebautes Grundstück an eine GmbH, die dort ein Senioren- und Pflegeheim betrieb. A beantragte im Jahr 1999 die Baugenehmigung für einen Erweiterungsbau (Fertigstellung 2004). Im Jahr 2000 hatte A eine gewerbliche KG (A-KG) gegründet. Mitte 2005 brachte A die Immobilie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme von Verbindlichkeiten in die A-KG ein, die das Mietverhältnis mit der GmbH fortführte. Nach Auffassung des Finanzamts hatte A das Grundstück nicht aus seinem Privat-, sondern aus einem Betriebsvermögen eingebracht. Deshalb besteuerte das Finanzamt einen Einbringungsgewinn. Das Niedersächsische Finanzgericht wies die Klage gegen den ESt-Bescheid und den GewSt-Messbescheid für das Jahr 2005 als unbegründet zurück. Der BFH hob das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Eine abschließende Entscheidung in der Sache war nicht möglich, da die dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts nicht ausreichten.
Sollte A einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben haben, wäre die Einbringung des Grundstücks in die A-KG nicht als teilentgeltlicher, sondern vielmehr als vollentgeltlicher Vorgang zu werten. Die von der A-KG erbrachte Gegenleistung für die Einbringung des Grundstücks bestand aus zwei Komponenten (in der Gewährung von Gesellschaftsrechten und in der Übernahme sämtlicher auf der eingebrachten Immobilie lastenden Verbindlichkeiten). Es handelte sich um ein Mischentgelt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass zumindest eine der beiden Entgeltkomponenten – vorliegend der in Gesellschaftsrechten bestehende Teil der Gesamtgegenleistung – durch eine Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG begünstigt ist. Jedenfalls dann, wenn die Werte de...