2.1 Veräußerung des kompletten Anteils
2.1.1 Erfordernis der zeitweiligen Einstellung der freien Berufstätigkeit
Steuerbegünstigt ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG auch ein Veräußerungsgewinn, den ein Freiberufler bei der Veräußerung seines "gesamten" Anteils an einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft, z. B. Sozietät oder Gemeinschaftspraxis, erzielt. Voraussetzung dafür ist aber ebenfalls, dass der Steuerpflichtige seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisher örtlich begrenzten Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellt.
Vorübergehende Einstellung der Tätigkeit
Zahnarzt A betreibt mit seinen Berufskollegen B und C in einer Kleinstadt eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Am 31.12.2019 scheidet A gegen eine Abfindung aus der Gemeinschaftspraxis aus, die von B und C weitergeführt wird. A eröffnet am 1.1.2020 in derselben Stadt, in der auch B und C ihre Praxis betreiben, eine zahnärztliche Einzelpraxis.
Der anlässlich des Ausscheidens von A aus der Gemeinschaftspraxis erzielte Gewinn ist nicht steuerbegünstigt, da A seine freiberufliche Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis weder endgültig noch wenigstens vorübergehend eingestellt hat.
Geringfügigkeitsgrenze
Unschädlich ist die Fortführung der freiberuflichen Tätigkeit in geringem Umfang (10 %-Grenze). Es ist ungeklärt, aber eher wahrscheinlich, dass die 10 %-Grenze auf die Beteiligungsquote des ausgeschiedenen Gesellschafters bezogen werden muss. Steuerunschädlich ist auch hier, wenn der Gesellschafter nach seinem Ausscheiden für die Gemeinschaftspraxis oder Sozietät als freier Mitarbeiter oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig wird.
Weitere Mitarbeit als freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer
Steuerunschädlich ist die weitere Tätigkeit als freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer der Sozietät nach Ausscheiden.
2.1.2 Mitveräußerung des Sonderbetriebsvermögens
Der steuerrechtliche Mitunternehmeranteil umfasst neben dem Anteil am Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters. Eine steuerbegünstigte Anteilsveräußerung i. S. d. § 18 Abs. 3 EStG liegt daher nur vor, wenn der Veräußerer die zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehörenden wesentlichen Betriebsgrundlagen, z. B. Praxisgebäude, mitveräußert. Wird das Praxisgebäude zurückbehalten und in das Privatvermögen überführt, liegt die steuerbegünstigte Aufgabe eines Mitunternehmeranteils i. S. d. § 16 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG vor.
2.2 Teilanteilsveräußerung
Eine Teilanteilsveräußerung liegt vor, wenn ein Freiberufler nicht seinen ganzen Anteil an einer Personengesellschaft, sondern nur einen Teil davon veräußert, sodass er weiterhin an der Sozietät oder Gemeinschaftspraxis beteiligt bleibt. Es gibt 2 Fälle der Teilanteilsveräußerung:
- Ein weiterer Freiberufler tritt gegen Zahlung eines Entgelts an den oder die "abgebenden" Gesellschafter in die Personengesellschaft ein, ohne dass einer der bisherigen Gesellschafter ausscheidet.
- Es tritt zwar kein weiterer Freiberufler in die Personengesellschaft ein, die bisherigen Gesellschafter ändern aber entgeltlich ihre Beteiligungsverhältnisse.
Teilanteilsveräußerung führt zu laufendem Gewinn
Gewinne aus Teilanteilsveräußerungen nach dem 31.12.2001 sind nach § 16 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG generell nicht mehr begünstigt, sondern unterliegen mangels vollständiger Gewinnrealisierung als laufender Gewinn dem regulären Steuersatz. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns muss vom Buchwert des Kapitalkontos ausgegangen werden, der auf den veräußerten Teilanteil entfällt. Wird also ein Bruchteil, z. B. die Hälfte eines Mitunternehmeranteils, veräußert, ist zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns ein gleichartiger Bruchteil (½) des Kapitalkontos auch abzuziehen, wenn der Veräußerer den Mitunternehmeranteil nach und nach zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben hat.
Änderung der Beteiligungsverhältnisse
A und B betreiben als selbstständige Rechtsanwälte eine Sozietät in der Rechtsform einer GbR. A hält zunächst einen Gesellschaftsanteil von 90 % und B einen solchen von 10 %. Die Gesellschafter treffen eine andere Vereinbarung über die Gesellschafterrechte. Ab dem 1.7.2019 sind A und B zu je 50 % an der GbR beteiligt. A erzielt aus dem Verkauf von 40 % Praxisanteil einen Gewinn von 150.000 EUR. Der Veräußerungsgewinn ist ein laufender, nicht begünstigter Gewinn.
Gehört zum Mitunternehmeranteil auch Sonderbetriebsvermögen, zählt bei einer Teilanteilsveräußerung auch der auf das Sonderbetriebsvermögen entfallende Veräußerungsgewinn zum laufenden Gewinn. Das gilt unabhängig davon, ob die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens in vollem Umfang oder nur anteilig mitveräußert und damit die stillen Reserven kongruent aufgedeckt werden.