Leitsatz
Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist bei börsennotierten Aktien grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Notierung bei Erwerb überschreitet. Auf die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag kommt es hierbei nicht an (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
Sachverhalt
Die Klägerin, eine AG, erwarb von März bis Mai 2001 (Streitjahr) Aktien dreier börsennotierter Gesellschaften (AG I bis III). Die Anteile gehörten zu ihrem Anlagevermögen. Die Kurswerte dieser Aktien minderten sich zwischen den Erwerbszeitpunkten und dem 31.12.2001 um ./. 34,71 %, ./. 18,32 % sowie ./. 10,96 %. Zum 14.3.2002, dem Tag der Unterzeichnung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, veränderten sich die Minderungen zu den Erwerbszeitpunkten auf ./. 8,25 %, ./. 29,23 % und ./. 11,26 %.
Die auf der Grundlage der Kurswerte zum 31.12.2001 von der Klägerin vorgenommenen Teilwertabschreibungen erkannte das FA nicht an.
Das FG gab der Klage nur in geringem Umfang statt (FG Münster, Urteil vom 31.8.2010, 9 K 3466/09 K,G, Haufe-Index 2529531, EFG 2011, 124).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf. Er verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung über die Werte an das FG zurück. Im Grundsatz konterkarierte er aber die Verwaltungspraxis und blieb seiner bisherigen Rechtsprechung treu. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Bilanzierte Wirtschaftsgüter können nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Fall einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zulasten des Gewinns auf ihren niedrigeren Teilwert – unterhalb der "historischen" Anschaffungskosten – abgeschrieben werden.
Die Frage ist nur, wann von einer solchen voraussichtlich dauernden Wertminderung gesprochen werden kann.
2. Mit Urteil vom 26.9.2007, I R 58/06 (BFH/NV 2008, 432, BFH/PR 2008, 138, BStBl II 2009, 294) hatte der BFH entschieden, das sei bei börsennotierten Aktien, die als Finanzanlage gehalten werden, dann der Fall, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Wertaufholung vorliegen. Der Börsenkurs spiegelt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das "Marktbild" wider; Wertschwankungen seien im Regelfall "eingepreist".
3. Diese Rechtsprechung stand im Gegensatz zur seinerzeitigen Verwaltungspraxis (im BMF-Schreiben vom 25.2.2000, BStBl I 2000, 372 Tz. 11). Denn danach war in dem Börsenkurs "im Zweifel" eine bloße vorübergehende Wertschwankung zu sehen, welcher insoweit keine sonderliche Ausdruckskraft zukommt. Die Wertentwicklung sei über einen Prognosezeitraum zu beobachten, welcher jedenfalls nicht unter zehn Jahren liegen dürfe.
4. Mittlerweile zeigte das BMF gewisse Einsicht:
Es modifizierte seine Praxis und nahm fortan (im Schreiben vom 26.3.2009, BStBl I 2009, 514) an, von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung sei nur dann auszugehen, wenn der Börsenkurs der Aktien oder der Rücknahmepreis der Fondsanteile zum jeweiligen Bilanzstichtag um mehr als 40 % oder an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen um jeweils mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken sei. Überdies sei ein Schwellen- oder Relevanzwert von 10 % zu beachten; Wertveränderungen darunter seien prinzipiell unbeachtlich.
5. Der BFH blieb indes "stur" bei seiner Meinung. Er präzisierte sie überdies, um sie praxistauglich und handhabbar zu machen:
Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ist bei an der Börse gehandelten Aktien nach wie vor immer dann auszugehen, wenn der Kurs am Bilanzstichtag unter den Kurs im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist. Nicht aus Zweifeln an der "Spiegelung" des Marktes in den Kurswerten, sondern lediglich aus Praktikabilitätsgründen wird eine Bagatellgrenze bei einer Kursdifferenz von 5 % akzeptiert.
Der BFH geht sonach – abermals – davon aus, dass eine einzelfallbezogene Prüfung der voraussichtlichen Dauer von Kursdifferenzen sowohl die Finanzbehörden als auch die Steuerpflichtigen überfordern würde. Im Interesse eines möglichst einfachen und gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs ist deshalb von dem grundsätzlich maßgeblichen Börsenkurs zum Bilanzstichtag nur ausnahmsweise abzurücken, z.B. wenn in Fällen eines sog. Insiderhandels oder aufgrund äußerst geringer Handelsumsätze konkrete und objektiv nachprüfbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Börsenkurs nicht den tatsächlichen Anteilswert abbildet.
Der BFH hat diese seine Meinung aber nicht nur aufrechterhalten und präzisiert. Er hat sie vielmehr methodisch fundiert und auf die Füße einer typisierenden Betrachtungsweise gestellt. Diese sei geboten und zulässig, um eine anderweitig notwendig werdende Unternehmensbewertung zu verhindern.
6. Wertabweichunge...