Leitsatz
1. Eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen ist zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist.
2. Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen.
3. Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen, d.h. unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, Nr. 3 EStG, § 243 Abs. 3, § 244 HGB, § 118 Abs. 2 FGO, § 162 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine KG, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, nahm am 29.8.2006 ein Fremdwährungsdarlehen in CHF auf. An diesem Tag betrug der Kurswert des CHF 1,5789 CHF = 1 EUR. Zum Bilanzstichtag 31.12.2010 hatte er sich erheblich erhöht und betrug nun 1,2504 CHF = 1 EUR. Das FG (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 16.5.2018, 2 K 3880/16, Haufe-Index 12114685, EFG 2018, 1982) gab der Klage, mit der die Klägerin eine Teilwertzuschreibung der Fremdwährungsverbindlichkeit auf den 31.12.2010 begehrte, statt. Dem Wechselkursverlust des EUR gegenüber dem CHF habe wegen der Schuldenkrise in mehreren Mitgliedstaaten des EUR-Währungsraums und der deshalb ergriffenen Stützungsmaßnahmen von enormem Ausmaß eine fundamentale Änderung der Wirtschaftsdaten zugrunde gelegen, die ungeachtet etwaiger Laufzeiten eine Teilwertzuschreibung rechtfertige.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück, da die Entscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
Hinweis
1. Fremdwährungsverbindlichkeiten sind grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten, der sich aus dem Wechselkurs der Fremdwährungsverbindlichkeit im Zeitpunkt der Aufnahme (Einstandskurs) des betreffenden Darlehens ergibt. Erhöht sich jedoch der Wechselkurs, so erhöht sich auch der Rückzahlungsbetrag und damit auch der Teilwert der Verbindlichkeit.
2. Mit diesem höheren Teilwert kann die Verbindlichkeit allerdings nur angesetzt werden, wenn die zugrunde liegende Wertänderung voraussichtlich dauerhaft ist. Dies hängt maßgeblich von der Laufzeit der Verbindlichkeit ab.
Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, deren Restlaufzeit am Bilanzstichtag noch mindestens 10 Jahre beträgt (langfristige Verbindlichkeiten), begründet daher ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung, da davon auszugehen ist, dass sich Währungsschwankungen in der Regel ausgleichen.
3. Haben sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages allerdings so außerordentlich und nachhaltig geändert, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit werde sich ohne Weiteres wieder einstellen, kann dies auch bei einer langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeit zu einer Teilwertzuschreibung berechtigen.
4. Bei der vorzunehmenden Prognoseentscheidung über Umfang und Dauer der Werterhöhung handelt es sich um eine Schätzung, die zu den Tatsachenfeststellungen des FG gehört und vom BFH nur eingeschränkt überprüft werden kann.
5. Kann das FG die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen der geltend gemachten Teilwertzuschreibung nicht feststellen, trifft den Steuerpflichtigen hierfür die Feststellungslast.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.6.2021 – IV R 18/18