Leitsatz
Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-RL des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2003/92/EG des Rates vom 7.10.2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Telefonanbieter, der Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, die darin bestehen, dass an einen Vertriebshändler Telefonkarten verkauft werden, die alle notwendigen Informationen zur Tätigung internationaler Anrufe über die von diesem Anbieter zur Verfügung gestellte Infrastruktur enthalten und die vom Vertriebshändler im eigenen Namen und für eigene Rechnung entweder unmittelbar oder über andere Steuerpflichtige wie Groß- und Einzelhändler an Endnutzer weiterverkauft werden, eine entgeltliche Telekommunikationsdienstleistung an den Vertriebshändler erbringt. Dagegen erbringt der betreffende Anbieter keine zweite entgeltliche Dienstleistung an den Endnutzer, wenn dieser, nachdem er die Telefonkarte erworben hat, von dem Recht Gebrauch macht, mithilfe der Informationen auf der Karte Anrufe zu tätigen.
Normenkette
Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL, § 3 Abs. 9, § 3a Abs. 4 Nr. 12 UStG
Sachverhalt
Lebara, ein Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen, verkaufte Telefonkarten an Vertriebshändler zu einem Preis unter deren Nennwert in der Währung des Mitgliedstaats der Händler: die Nutzung der Telefonkarten war bis zum Nennwert ohne Erstattungsmöglichkeit eines möglichen Guthabens zeitlich begrenzt. Die Händler verkauften diese Telefonkarten im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiter, in der Regel an Endkunden zur Nutzung für Telefongespräche. Die Finanzverwaltung in UK meinte, es lägen zwei Leistungen seitens Lebara vor, von denen die an die Endkunden steuerbar sei.
Entscheidung
Die wesentlichen Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Telekommunikationsdienstleistungen an Unternehmer werden am Ort des Leistungsempfängers besteuert. Der "Verkauf" einer Telefonkarte, die dem Erwerber – bzw., wenn dieser ein Zwischenhändler ist, schließlich dem Endkunden – die Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienstleistungen ermöglicht, ist keine Lieferung, weil die Karte lediglich Träger der Informationen für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Telekommunikationsunternehmens ist.
2. Wird die Karte erst an einen Zwischenhändler "verkauft", der sie dann im eigenen Namen "weiterverkauft", wird die Telekommunikationsdienstleistung in einer Vertriebskette weitergeleitet. Leistungsort der ersten Dienstleistung ist der Empfängerort. Die Vorstellung, dass der Telefonanbieter zwei entgeltliche Dienstleistungen erbringt, eine an den Zwischenhändler und eine an den Endkunden, wie sie die Finanzverwaltung in UK hatte, hat der EuGH zu Recht nicht weiterverfolgt.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 3. 5. 2012 – C-520/10 – Lebara Ltd