Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines kommunalen Energieversorgungsunternehmens auf Energiesteuerentlastung für die Netzverluste eines Fernwärmenetzes
Leitsatz (redaktionell)
Ein Energieversorgungsunternehmen, das Wasser durch Verbrennen von Erdgas in einer zentralen Heizkesselanlage erhitzt, das heiße Wasser in ein von ihm betriebenes, als Kreislauf ausgestaltetes Fernwärmenetz einleitet und zur Aufrechterhaltung einer gleichmäßigen Temperatur in dem Fernwärmenetz insgesamt mehr thermische Energie in das Netz einspeisen muss als die Kunden insgesamt, gemessen über Wärmemengenzähler, tatsächlich abnehmen (sog. Netzverlust), hat auch für den Teil des Erdgases, der zum Ausgleich der Netzverluste im Fernwärmenetz verwendet wird, nach § 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG einen Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer. Der Auffassung, wonach der physikalisch notwendige Ausgleich des Netzverlustes mangels Zweckbestimmung kein „Nutzen” i. S. d. § 54 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG der Wärme im Rahmen des Produktionsprozesses darstelle und allein durch die Belieferung der Kunden mit Wärme veranlasst sei, sodass insoweit eine Energiesteuerentlastung ausgeschlossen sei, wird nicht gefolgt.
Normenkette
EnergieStG § 54 Abs. 1 Sätze 1-2
Nachgehend
Tenor
1. Der Rückforderungsbescheid vom 19.11.2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.05.2014, geändert durch Bescheid vom 05.11.2014, wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Energiesteuerentlastung für die Netzverluste eines Fernwärmenetzes.
Die Klägerin ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen. Sie erhitzt Wasser durch Verbrennen von Erdgas in einer zentralen Heizkesselanlage. Das heiße Wasser leitet sie in ein von ihr betriebenes ca. 12 km langes, als Kreislauf ausgestaltetes Fernwärmenetz ein. Dem Netz entnehmen die angeschlossenen Verbraucher die im Waser enthaltene thermische Energie über Wärmetauscher. Abhängig vom Wirkungsgrad der Heizanlage, dem Wärmebedarf der Nutzer und dem dafür erforderlichen Temperaturniveau des heißen Wassers, der Betriebsdauer und der Isolierung sowie der Länge des Rohrleitungssystems erzeugt und speist die Klägerin mehr thermische Energie in das Netz ein, als die Kunden, gemessen über Wärmemengenzähler, tatsächlich abnehmen. Im Streitjahr 2011 verfeuerte sie in der Heizanlage insgesamt 25.237,836 MWh Erdgas, mit der sie 20.629 MWh thermische Energie für das Fernwärmenetz erzeugte. Davon nahmen die Verbraucher 16.747 MWh ab. Die Differenz zwischen der von ihr erzeugten und der von den Verbrauchern tatsächlich abgenommenen thermischen Energie betrug im Streitjahr 3.882 MWh = 18,82 %.
Für die dem Netzverlust entsprechende Menge Erdgas (18,82 % = 4.749,299 MWh) beantragte die Klägerin am 16. Oktober 2012 eine Entlastung von der Energiesteuer nach § 54 Energiesteuergesetz (EnergieStG). Sie gab an, das Erdgas habe sie zur Erzeugung von Wärme eingesetzt, die durch das eigene Unternehmen genutzt worden sei. Auf den Antrag nebst Anlagen auf Blatt 20 bis 46 der Akte des Hauptzollamtes wird Bezug genommen.
Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 19.10.2012 die beantragte Entlastung. Den Entlastungsbetrag nach § 54 EnergieStG setzte er nach Korrektur eines Rechenfehlers im Antrag auf 6.304,03 EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).
Am 19.11.2013 erließ der Beklagte den angefochtenen Rückforderungsbescheid. Zur Begründung führte er aus, die Steuerentlastung für Energieerzeugnisse, die zur Erzeugung von Wärme verwendet worden seien, werde seit 2011 nur noch gewährt, wenn die erzeugte Wärme nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden sei. Die Klägerin habe als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes Wärme durch das Verheizen von Energieerzeugnissen zu betrieblichen Zwecken erzeugt. Diese Wärme habe sie sowohl selbst genutzt als auch an Dritte abgegeben. Ein Netzverlust sei nur noch mit dem Anteil zu berücksichtigen, der bei der Erzeugung von Wärme anfalle, die nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden sei.
Ihren Einspruch vom 09.12.2013 begründete die Klägerin sinngemäß damit, die Zuordnung der Netzverluste zu den Endkunden sei nicht sachgerecht. Die streitige Wärmemenge erzeuge und speise sie ausschließlich zum Ausgleich der Wärmeverlust...