Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 EStG für Arbeitgeberleistungen an eine Zusatzversorgungskasse aufgrund eines allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden tarifvertragliche Bestimmungen über ein Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer (hier: im Bereich der Landwirtschaft) vom zuständigen Bundesministerium (hier: für Arbeit und Sozialordnung) gemäß § 5 Tarifvertragsgesetz für allgemein gültig erklärt und ist ein selbst nicht tarifgebundener Arbeitgeber deswegen zur Erbringung entsprechender Leistungen an die Zusatzversorgungskasse verpflichtet, so sind diese Arbeitgeberbeiträge nach § 3 Nr. 62 Satz 1, 3. Alternative EStG „…nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung”…) steuerfrei.
2. Mit „gesetzlichen Vorschriften” i.S. von § 3 Nr. 62 Satz 1, 2. Alternative EStG sind nur formelle Gesetze gemeint, die in einem verfassungsmäßigen-förmlichen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen sind. Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge sind keine formellen Gesetze in diesem Sinne.
Normenkette
EStG 1997 § 3 Nr. 62 S. 1, § 40b Abs. 1-2; TVG § 5; GG Art. 9 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Der Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer 1998 bis 2001 vom 17. April 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Oktober 2003 wird insoweit aufgehoben, als darin die Beiträge zum Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft e.V. zur Steuer herangezogen werden.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die steuerliche Behandlung von Leistungen der Klägerin an die Zusatzversorgungskasse der Landwirte zur Zukunftssicherung ihrer Arbeitnehmer.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einen landwirtschaftlichen Produktions- und Handelsbetrieb. In den Streitjahren 1998 bis 2001 führte sie für jeden ihrer Arbeitnehmer 10,00 DM pro Monat an die Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZLA) – Anstalt des öffentlichen Rechts – im Auftrag des Zusatzversorgungswerkes für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZLF) e.V. ab. Die Klägerin war hierzu nach § 2 Abs. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 des Tarifvertrages (TV) zwischen der damaligen Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft (später IG Bauen, Agrar, Umwelt) und den land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbänden verpflichtet. Die Tarifparteien hatten mit Wirkung vom 1. Januar 1995 einen Tarifvertrag ausgehandelt, in dem die Errichtung eines Zusatzversorgungswerkes für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vereinbart wurde. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat dann gem. § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) die Bestimmungen über dieses Zusatzversorgungswerk für allgemein gültig erklärt. Die Klägerin selbst ist nicht tarifgebunden, d.h. sie ist nicht Mitglied eines als Tarifpartei auftretenden Arbeitgeberverbandes. Die jährlich zu zahlenden Beiträge wurden von der Klägerin nicht versteuert.
Eine im Jahr 2002 durchgeführte Lohnsteuerprüfung behandelte die Leistungen der Klägerin als Beiträge des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Nr. 3 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV), die nicht nach § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbefreit seien. Mit Nachforderungsbescheid vom 17.04.2002 unterwarf der Beklagte die Beiträge der pauschalen Lohnsteuer nach § 40b Abs. 1 und 2 EStG in Verbindung mit § 40 Abs. 3 EStG. Es ergab sich folgende pauschale Steuerschuld (in DM):
|
Lohnsteuer |
Solidaritätszuschlag |
Kirchensteuer |
1998 |
336 |
18,48 |
9,98 |
1999 |
297 |
16,33 |
8,82 |
2000 |
300 |
16,50 |
8,91 |
2001 |
166 |
9,13 |
4,93 |
Mit Schreiben vom 19.04.2002 legte die Klägerin gegen den Nachforderungsbescheid Einspruch ein.
Dieser wurde damit begründet, dass die Zukunftssicherungsleistungen gem. § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei seien. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung habe die tarifvertragliche Verpflichtung für allgemeinverbindlich erklärt. Allein aufgrund der Allgemeingültigkeitserklärung sei die Zahlungspflicht des Arbeitgebers gegeben. Diese Allgemeingültigkeitserklärung sei eine auf gesetzlicher Ermächtigung beruhende Bestimmung i. S. d. § 3 Nr. 62 EStG.
Hilfsweise wurde beantragt – unter Hinweis auf das Urteil des FG Brandenburg v. 25.05.2000, Az. IV K 1682/99 L – die Beiträge nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei zu belassen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.10.2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die Beiträge nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmung gezahlt würden. Durch die Allge...