rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarf i. S. d. Tabaksteuerrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden bei einer Pkw-Kontrolle des HZA 760 Zigaretten mit polnischem Steuerzeichen aufgefunden, die von der Fahrzeugführerin, deren Großeltern und deren Vater in das Verbrauchsteuergebiet eingeführt wurden, erfolgt die Sicherstellung zu Unrecht, wenn die für den Eigenerwerb erworbenen Zigaretten im Rahmen der Freimenge abgabenfrei in das Verbrauchsteuergebiet eingeführt werden konnten.
2. Das von Art. 8 der Systemrichtlinie in § 20 Abs. 4 S. 1 TabStG übernommene Tatbestandsmerkmal „Eigenbedarf” ist nicht auf den Erwerb zum persönlichen Ver- oder Gebrauch beschränkt, sondern umfasst auch den Eigenbesitz, der beim Erwerb von Sachen zum Verschenken oder zum Teilen mit Familienangehörigen und Freunden zunächst erfolgen muss, damit die Waren überhaupt verschenkt oder verbraucht werden kann.
Normenkette
TabStG a.F. § 20 Abs. 4 S. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 4, § 12 Abs. 1; Richtlinie 92/12/EWG Art. 8; Richtlinie 92/108/EWG; AO § 215; ZollVG § 10
Nachgehend
Tenor
1. Der Sicherstellungsbescheid vom 27.11.2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2008, wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist eine Sicherstellungsverfügung.
Die in München wohnende Klägerin besuchte ihre Großeltern in K-Stadt. Auf der Rückreise fanden Beamte des Hauptzollamtes (HZA) bei einer Kontrolle ihres Fahrzeugs auf der BAB 72 am 27.11.2007 insgesamt 760 Stück Zigaretten mit polnischen Steuerzeichen, von denen das Hauptzollamt mit Bescheid vom selben Tag insgesamt 560 Stück Zigaretten im Aufsichtswege gem. § 215 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. §§ 19, 20 Abs. 1 und 4 Tabaksteuergesetz (TabStG) sicherstellte. Die Nacherhebung der hierauf ruhenden Abgaben führte das Hauptzollamt nicht durch.
Ihren im Ergebnis erfolglosen Einspruch gegen die Sicherstellung begründete die Klägerin im Wesentlichen mit nachstehender, von ihrem Vater und ihren Großeltern bestätigten Sachverhaltsschilderung: Sie seien alle am 26.11.2007 über den Grenzübergang Gastrose nach Polen gefahren. Dort habe jeder von ihnen eine Stange Zigaretten gekauft. Die anderen Zigarettenstangen seien ihr dann vor der Rückfahrt nach München geschenkt worden, da sie keinen Weihnachtsbesuch habe machen können. Auf der Heimreise sei sie auf der A 72 von Zollbeamten angehalten worden. Von den Zigaretten habe sie zu diesem Zeitpunkt noch 3 Stangen und 8 Schachteln Zigaretten bei sich gehabt (2 Stangen Pall Mall, 1 Stange Marlboro und 8 Schachteln Pall Mall). Die Zigaretten seien für ihren Eigenbedarf und nicht für gewerbliche Zwecke gedacht gewesen, was sie gegenüber den Beamten auch mehrfach abgegeben habe.
Die Einspruchsentscheidung vom 25.04.2008, zur Post gelangt am 05.05.2008, begründete der Beklagte im Wesentlichen damit, nur 200 Stck. Zigaretten seien gem. § 20 Abs 4 Satz 1 des TabStG steuerfrei. Die Klägerin habe die Pflicht gehabt, über die Tabakwaren ohne deutsche Steuerzeichen, soweit die Freimenge von 200 Stck. Zigaretten überschritten worden sei, unverzüglich bei Grenzübertritt, jedoch spätestens vor Beginn der Kontrolle eine Steueranmeldung abzugeben. Dem sei sie gegenüber den anwesenden Beamten nicht nachgekommen. Ihre Darstellung zum Verbringen der Zigaretten sei als Schutzbehauptung zu bewerten. Die Bestätigungen der Großeltern und ihres Vaters seien unbeachtlich, weil die Klägerin am 27.11.2007 mit der Gesamtmenge von 760 Stück Zigaretten festgestellt worden sei. Die 560 Stck. Zigaretten würden nach § 19 i. V. m. § 20 Abs. 4 Satz 2 TabStG als zu gewerblichen Zwecken verbracht gelten und unterlägen folglich der Sicherstellung nach § 215 AO.
Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin mit einer bei Gericht am 30.05.2008 eingegangenen Klageschrift, in der sie ihre Sachverhaltsschilderung aus der Einspruchsbegründung wiederholt, Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Sicherstellung nach § 215 AO seien nicht erfüllt. Es läge kein Verstoß gegen §§ 19 und 20 TabStG vor. Nicht nur ihr habe die Einfuhr von 200 Stck. Zigaretten freigestanden, sondern auch ihrem Vater und ihren Großeltern. Der Vorwurf des gewerblichen Zwecks sei unhaltbar. Denn die Zigaretten seien nicht zu kommerziellen Zwecken, sondern ausschließlich für ihren privaten Konsum bestimmt gewesen. Im Übrigen führe die Rechtsauffassung des Beklagten dazu, dass alle innerhalb der Reisefreimengen eingeführten Waren an den Einführer gebunden seien. Dies verstoße gegen den Gleichheitssatz und gegen geltendes EU-Recht.
Die Klägerin beantragt,
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