Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt können als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein
Leitsatz (redaktionell)
1. Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig und sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und der Steuerpflichtige sich nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat, sondern diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider – auch des Kostenrisikos – eingegangen ist (Anschluss an BFH v. 12.5.2011, VI R 42/10).
2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der geschiedene Vater auf erhöhten Kindesunterhalt verklagt wurde, in dem Verfahren unter anderem die schwierige tatsächliche Frage zu klären war, in welchem Umfang dem Vater unterhaltrechtlich relevantes Einkommen im streitigen Zeitraum zur Verfügung gestanden hat, es zur Klärung dieser Frage letztlich eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens bedufte und der Erfolg der Rechtsverteidigung des Vaters ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg war.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom August 2008 wird dahingehend geändert, dass die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen von 5.119 Euro abzüglich der zumutbaren Eigenbelastung zu berücksichtigen sind. Dem Beklagten wird aufgeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils bekanntzugeben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Umstritten ist, ob Prozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig sind.
Der Kläger ist geschieden und erzielt als Zahnarzt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit.
Aus der Ehe des Klägers gingen die Kinder Ariane (geb. Juni 1990) und Anne (volljährig) hervor. Die Tochter Ariane lebt bei der dama ligen Ehefrau des Klägers. Die Höhe des vom Kläger zu zahlenden Kindesunterhalts war streitig. Im Mai 2000 haben die Kinder des Klägers beim Amtsgericht L. in Gestalt einer Stufenklage Auskunft über das Einkommen des Klägers begehrt und einen unbezifferten Leistungsbetrag wegen Kindesunterhalt gestellt. Das Amtsgericht hat unter anderem Beweis erhoben, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Einkommen des Klägers. Auf das Gutachten wird verwiesen. Mit Endurteil vom Dezember 2004 verurteilte das Amtsgericht den Kläger, unter anderem an die Tochter Ariane monatlich Kindesunterhalt von 435 Euro zu zahlen. Im Übrigen wies es die Klage der Tochter Ariane ab. Der Rechtsstreit mit der Tochter Anne wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Von den Gerichtskosten, mit Ausnahme der Kosten der Beweiserhebung, hatte die Tochter Anne 1/16, der Kläger 15/16 und zusätzlich die Kosten der Beweisaufnahme zu tragen. Die Tochter Anne hatte ihre außergerichtlichen Auslagen selbst zu tragen. Ferner hatte der Kläger die außergerichtlichen Auslagen der Tochter Ariane zu tragen. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere des genauen Sachverhaltes, wird auf das Urteil des Amtsgerichts verwiesen.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2005 machte der Kläger folgende durch den Unterhaltsprozess entstandenen Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend:
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. August 2005 |
491,61 Euro |
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. August 2005 |
76,10 Euro |
Landesjustizkasse vom 27. Juli 2005 |
3.404,82 Euro |
Landesjustizkasse vom 27. Juli 2005 |
1.146,54 Euro |
insgesamt |
5.119,00 Euro. |
Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Steuerakte vorliegenden Nachweise verwiesen. Der Beklagte erkannte unter anderem die geltend gemachten Prozesskosten im Einkommensteuerbescheid 2005 vom April 2004 nicht an, da diese nicht zwangsläufig im Sinne von § 33 EStG erwachsen seien.
Den Einspruch dagegen wies der Beklagte mit Teileinspruchsentscheidung vom August 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit spreche. Nach § 33 Abs. 2 EStG sei Zwangsläufigkeit nur gegeben, wenn auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in der Weise Gründe von außen einwirkten, dass er ihnen nicht ausweichen könne. Zwar könne sich der Steuerpflichtige nach einem verlorenen Zivilprozess – unabhängi...