Entscheidungsstichwort (Thema)
Spätere Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 4 Fördergebietsgesetz (FördG) durch den Veräußerer als auf die Veranlagung des Erwerbers rückwirkendes Ereignis
Leitsatz (redaktionell)
Beantragt der Veräußerer eines im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücks später nachträglich selbst die Sonderabschreibung nach § 4 FördG für das verkaufte Objekt, so stellt das für den bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid des Erwerbers, in dem diesem die Sonderabschreibung nach § 4 FördG gewährt worden war, ein rückwirkendes Ereignis dar, das das FA zu einer Änderung nach § 175 AO und zu einer Versagung der Sonderabschreibung berechtigt. Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer die Sonderabschreibung rechtswidrig in Anspruch genommen haben sollte.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2; FördG § 3 S. 2 Nr. 1, § 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob der Beklagte nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung 1977 (AO) berechtigt war, durch Einkommensteuerbescheid 1992 vom 28. Juli 1999 den vorangegangenen Bescheid vom 24. August 1994 zu ändern und die bis dahin gewährte Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) zu versagen.
Die Kläger sind Eheleute, die im Kalenderjahr 1992 die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer gewählt hatten. Die Klägerin erwarb am 18. Dezember 1992 A-Stadt ein Grundstück mit aufstehendem Haus. Der Kaufvertrag enthielt keine Regelung darüber, ob die Klägerin als Erwerberin des Hauses allein zur Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem FördG berechtigt sein sollte.
Die Klägerin beantragte für das Kalenderjahr 1992 eine Sonderabschreibung nach § 4 FördG, die der Beklagte antragsgemäß in seinem Bescheid vom 24. August 1994 berücksichtigte.
Mit Schreiben vom 4. Januar 1999 teilte das Finanzamt B-Stadt dem Beklagten mit, dass die Verkäuferin des Grundstücks in A-Stadt während einer laufenden Betriebsprüfung die Sonderabschreibung nach § 4 FördG beantragt habe. Nach Ansicht des Finanzamtes B-Stadt habe die Klägerin in Anbetracht dessen keinen Anspruch (mehr) auf die Sonderabschreibung nach § 4 FördG. Der Betriebsprüfer forderte den Beklagten auf, den Einkommensteuerbescheid der Kläger entsprechend zu ändern.
Nach Rücksprache mit dem damaligen Steuerberater der Kläger erließ der Beklagte am 28. Juli 1999 einen Änderungsbescheid über Einkommensteuer 1992, in dem er die Sonderabschreibungen nach dem FördG in Höhe von 214.882 DM nicht mehr berücksichtigte. Die Einkommensteuer setzte er demnach in Höhe von 94.608 DM (anstelle von zuvor 7.630 DM) fest. Den Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Entscheidung vom 12. Dezember 2000 als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden Klage wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Änderung ihres Einkommensteuerbescheides 1992 vom 28. Juli 1999. Sie machen geltend: Auch wenn im notariellem Kaufvertrag über den Verkauf des Hauses nicht ausdrücklich geregelt gewesen sei, dass der Verkäufer für das Hausgrundstück keine Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen werde, sei dieses den Vertragsparteien durchaus bewusst gewesen und somit zur Geschäftsgrundlage des Kaufvertrages geworden. Trotzdem habe die Verkäuferin im Kalenderjahr 1998 ebenfalls eine Sonderabschreibung nach § 3 i. V. m. § 4 FördG für das Kalenderjahr 1992 beantragt. Hiervon hätten sie erstmals durch Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 1999 Kenntnis erlangt. Sodann habe der Beklagte die Einkommensteuer 1992 mit Bescheid vom 28. Juli 1999 neu festgesetzt.
Ihrer Ansicht nach habe der Beklagte auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO keinen Änderungsbescheid erlassen dürfen.
Es sei schon fraglich, ob die Verkäuferin überhaupt Sonderabschreibungen nach § 4 FördG habe in Anspruch nehmen dürfe. Einzelheiten hierzu seien ihnen jedoch nicht bekannt. Darauf komme es jedoch nicht an. Denn ihrer Ansicht nach könne – entgegen des W ortlautes des § 3 Satz 2 Ziff. 1 FördG – eine Sonderabschreibung auch in dem Falle beansprucht werden, in dem der Voreigentümer ebenfalls eine Sonderabschreibung vorgenommen hätte.
Selbst wenn man dem nicht folge, sei die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung durch die Voreigentümerin kein „Ereignis” i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Entgegen der Ansicht des Beklagten könne als Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO keineswegs jeder rechtlich relevante Vorgang verstanden werden. Vielmehr seien nur solche Umstände rechtserheblich, die zu einer Änderung des der Besteuerung zu Grunde liegenden Sachverhalts führten. Literatur und Rechtsprechung gingen diesbezüglich davon aus, dass ein Ereignis nur dann steuerlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirke, wenn es seinen Ursprung bereits im Veräußerungszeitpunkt in sich getragen habe. Nur unter dieser Voraussetzung wirke sich ein nachträgliches...