Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Kürzung des Arbeitslohns um Sozialversicherungsbeiträge bei Ermittlung des Jahresgrenzbetrags. volle Berücksichtigung von Fahrtkosten im Rahmen einer beruflichen Bildungsmaßnahme. keine Klageänderung bei Zuständigkeitswechsel durch Organisationsakt
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag überschreiten, ist der Arbeitslohn um Sozialversicherungsbeiträge, nicht hingegen um die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer zu kürzen.
2. Kosten, die im Zusammenhang mit einer beruflich veranlassten Bildungsmaßnahme stehen, sind grundsätzlich als Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG und entsprechend als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Fahrtkosten. Die Abzugsbeschränkung gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist im Rahmen einer beruflichen Bildungsmaßnahme nicht zu beachten.
3. Ein gesetzlicher Beklagtenwechsel infolge eines Zuständigkeitswechsels durch Organisationsakt stellt weder eine Änderung des Streitgegenstandes noch eine Klageänderung dar. Der neue Beklagte rückt in das Verfahren ein, ohne dass entsprechende Erklärungen der Beteiligten erforderlich sind und ohne dass eine Klageänderung vorliegt.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2, 5, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4; FGO § 57 Nr. 2, § 67
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Grenzbetrag zum Bezug von Kindergeld im Jahr 2011 überschritten wurde.
Die am 09.07.1989 geborene Tochter der Klägerin befand sich vom 01.08.2008 bis zum 31.07.2011 in der Ausbildung zur Staatlich anerkannten Erzieherin an der privaten Fachschule für Wirtschaft und Soziales. Für die Schule war ein monatliches Schulgeld in Höhe von 54 EUR zu entrichten (= 378 EUR). Das nach §§ 49, 50 der Thüringer Fachschulordnung verpflichtende Berufspraktikum leistete die Tochter in der Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.07.2011 in einem Kindergarten einer Gemeinde ab. Hierfür erhielt sie eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.276,75 EUR (= 7.660,50 EUR). Das Landratsamt hatte der Tochter der Klägerin zudem unter Rückforderungsvorbehalt laufend Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als Zuschuss bewilligt und gezahlt. Im Streitzeitraum flossen ihr 1.722 EUR zu. Da die Förderung aufgrund des voraussichtlichen Einkommens im Bewilligungszeitraum festgesetzt worden war, ergab die nachträgliche Überprüfung der Bewilligungsvoraussetzungen eine Rückforderung in Höhe von 2.806 EUR, die die Tochter am 01.04.2011 leistete. Für ihre freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung wandte die Tochter der Klägerin nach der Beitragsbescheinigung der IKK im streitigen Zeitraum 436,70 EUR auf (513,11 EUR abzüglich einer Erstattung in Höhe von 76,41 EUR). Die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort und der Arbeitstätte betrug 7 km sowie zur Schule 76 km. Den Kindergarten in der Gemeinde suchte die Tochter an 111 Tagen und die Fachschule an 12 Tagen auf. Weiter entstanden der Tochter der Klägerin Aufwendungen für Literatur in Höhe von 24,90 EUR.
Kindergeld erhielt die Klägerin für ihre Tochter bis einschließlich Juli 2011. Nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für das Kalenderjahr 2011 stellte die Beklagte die Kindergeldgewährung wegen Überschreitens des nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) maßgeblichen Grenzbetrages von 8004 EUR ein und forderte das nach ihrer Auffassung für Januar bis Juli 2011 überzahlte Kindergeld in Höhe vom 1.288 EUR zurück.
Die Summe aller Einnahmen des Kindes errechnete die Beklagte im Einspruchsverfahren mit 4.879,51 EUR. Hierbei ging sie von anrechenbaren Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 7.300,21 EUR, abzüglich erhöhter Werbungskosten in Höhe von 968,10 EUR aus. Als Werbungskosten berücksichtigte sie das Schulgeld, die Fahrkosten zwischen Wohnort, Arbeitsstätte und Berufsschule mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer und die nachgewiesenen Aufwendungen für Arbeitsmittel. Als anzurechnende Bezüge berücksichtigte sie ferner das der Tochter bewilligte Bafög in Höhe von 1.458,40 EUR abzüglich der Kostenpauschale (7/12 von 180 EUR) von 105 EUR und der Rückerstattung in Höhe von 2.806 EUR (./. 1452,60). Auf die Berechnung auf Blatt 92 f. der Kindergeldakte wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Ihren hiergegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin sinngemäß damit, das anrechenbare Einkommen betrage nur 4.538,27 EUR, da bei der Berechnung vom Nettogehalt auszugehen sei.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 05.04.2012 (Bl. 101 ff. der Kindergeld-Akte) hat die Klägerin am 07.05.2012 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt ...