Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässige Änderung der Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich der Gewinnermittlungsart zur Glättung von Mehrergebnissen einer Betriebsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein nicht buchführungspflichtiger Gewerbetreibender den Gewinn für vier Vorjahre und das Streitjahr freiwillig durch Bilanzierung ermittelt und werden die formell bestandskräftig gewordenen, nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuer- bzw. Messbetragsbescheide für das Streitjahr nach einer Betriebsprüfung steuererhöhend gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert, so ist der Steuerpflichtige ausnahmsweise berechtigt, im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Änderungsbescheide für das Streitjahr wieder zur Gewinnermittlungsart durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG überzugehen und nach dem Rechtsgedanken des § 177 AO im gleichen Umfang die Betriebsprüfungs-Mehrergebnisse durch Änderung des Gewinnermittlungswahlrechts zu glätten (gegen FG München, Urteil v. 29.10.2009, 15 K 298/07).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3, 1, § 5 Abs. 1 S. 1; AO § 164 Abs. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 177 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Bescheide für 2016 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag vom 01.11.2017 bzw. vom 02.11.2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.03.2019, diese in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2021, werden dahingehend geändert, dass der Feststellung bzw. der Festsetzung entsprechend der eingereichten Gewinnermittlung
2. nach § 4 Abs. 3 EStG jeweils ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 21.809,24 EUR zugrunde gelegt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Feststellung bzw. Festsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
5. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
6. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, das der gesonderten Gewinnfeststellung 2016 bzw. der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2016 entsprechend der eingereichten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG jeweils ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 21.809,24 EUR zugrunde gelegt wird.
Der Kläger erzielt als Einzelhändler Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er betreibt einen Onlinehandel sowie verschiedene Filialen. Er ist gesetzlich nicht buchführungspflichtig. Bis zum Jahr 2011 ermittelte der Kläger seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ab dem Jahr 2012 ermittelt er seinen Gewinn gem. § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich.
Die Steuererklärungen und die Bilanz für das Jahr 2016 gingen am 06.09.2017 im Finanzamt ein. Die Veranlagung erfolgte antragsgemäß. Die mit entsprechenden Erläuterungen versehenen Bescheide für 2016 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag ergingen am 01.11.2017 bzw. am 02.11.2017. Darin wird ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 20.828 EUR zugrunde gelegt.
Im Zeitraum vom 15.01.2019 bis zum 21.02.2019 fand beim Kläger eine steuerliche Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2016 statt. Die Prüfungsfeststellungen wurden dem Kläger im Bericht vom 07.03.2019 mitgeteilt und ergaben für das Jahr 2016 eine Gewinnerhöhung von 12.645 EUR.
Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung ergingen am 21.03.2019 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Bescheide für 2016 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag. Darin wurde ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 33.472 EUR zugrunde gelegt.
Im Rahmen seiner hiergegen gerichteten Einsprüche beantragte der Kläger nunmehr den Wechsel der Gewinnermittlungsart zur Einnahme-Überschuss-Rechnung. Er legte am 29.05.2019 eine Übergangsgewinnermittlung zum 01.01.2016 sowie eine Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Jahr 2016 vor. Die Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Jahr 2016 wurde zusätzlich am 08.09.2019 elektronisch an das Finanzamt übermittelt.
Es sei zwar zutreffend, dass er bereits in vorangegangenen Jahren sein Wahlrecht zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ausgeübt habe. Da er jedoch gesetzlich nicht zur Buchführung verpflichtet sei und ihm durch die Feststellungen der Betriebsprüfung erhebliche Nachteile entstanden seien, könne er nun sein Wahlrecht dahingehend ausüben, den Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln.
Nach erfolglosen Einsprüchen verfolgt der Kläger sein Begehren mit der Klage weiter und macht geltend:
Die vom...