Leitsatz (amtlich)
1.
Die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person bzw. eine Personenvereinigung ist nur innerhalb des gegen das vertretungsberechtigte Organ geführten Verfahrens (§ 30 Abs. 1 OWiG) oder in einem selbständigen Verfahren möglich, wenn das vertretungsberechtigte Organ wegen der Ordnungswidrigkeit aus tatsächlichen Gründen nicht verfolgt oder das Verfahren eingestellt oder von Strafe abgesehen wird (§ 30 Abs. 4 OWiG).
2.
Es stellt kein (endgültiges) Hindernis bei der Verfolgung der Personenvereinigung dar, dass wegen der Ordnungswidrigkeit das Bußgeldverfahren gegen das vertretungsberechtigte Organ der Personenvereinigung noch läuft und somit die Voraussetzungen für ein selbständiges Verfahren nicht gegeben sind.
3.
Sind gegen das vertretungsberechtigte Organ und gegen die juristische Person oder Personenvereinigung zwei getrennte Bußgeldbescheide ergangen und wurde gegen beide Einspruch eingelegt, müssen die Verfahren miteinander verbunden werden. Dies kann in jeder Lage des Bußgeldverfahrens geschehen, auch nach (teilweiser) Aufhebung und Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Verfahrensgang
AG Pößneck (Entscheidung vom 03.04.2006) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Pößneck vom 03.04.2006 wird nebst den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Pößneck zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 08.08.2005 verhängte die Stadt P. gegen den Landesvorsitzenden der N..., Herrn F. Sch., wegen Durchführung einer unerlaubten Veranstaltung am 02.04.2005 im Schützenhaus P. gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 2 Thüringer OBG ein Bußgeld in Höhe von 3.500,- EUR. Wegen des gleichen Vorwurfs verhängte die Stadt P. in vorliegender Sache mit Bescheid vom 14.09.2005 gegen die N..., vertreten durch den Landesvorsitzenden F. Sch., ebenfalls ein Bußgeld in Höhe von 3.500,- EUR. Mit Schreiben vom 12.08.2005 legte der Betroffene F. Sch. in eigener Sache gegen den Bußgeldbescheid vom 08.08.2005 und mit Schreiben vom 19.09.2005 für die N... Thüringen gegen den Bußgeldbescheid vom 14.09.2005 jeweils Einsprüche ein. Die Verfahren wurden beim Amtsgericht Pößneck unter den Geschäftszeichen 645 Js .../05 und 645 .../06 getrennt geführt.
Das Amtsgericht Pößneck verurteilte im Verfahren 645 Js .../06 die Betroffene wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der Veranstaltung einer öffentlichen Vergnügung nach § 42 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2, 48 Nr. 4 und 6 Thüringer OBG i.V.m. § 30 Abs. 1 OWiG zu einer Geldbuße von 3.500,- EUR.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Im Verfahren 645 Js .../05 gegen den Landesgeschäftsführer der N... F. Sch. ist bislang noch keine Entscheidung getroffen worden.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren gegen die Betroffene wegen Vorliegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat einen vorläufigen Erfolg.
Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat der Senat von Amts wegen das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen zu prüfen. Diese Prüfung ergibt vorliegend, dass zwar ein Verfahrenshindernis nicht besteht, jedoch die selbständige Festsetzung einer Geldbuße gegen die Betroffene fehlerhaft erfolgte; sie war unzulässig.
Gegen eine juristische Person bzw. eine Personenvereinigung - hier die N... Thüringen als Personenvereinigung - kann nach § 30 OWiG nur dann eine Geldbuße festgesetzt werden, wenn ihr vertretungsberechtigtes Organ eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die eine die Personenvereinigung treffende Pflicht verletzt worden ist. Die Festsetzung einer Geldbuße ist dabei nur innerhalb des gegen das vertretungsberechtigte Organ geführten Verfahrens (§ 30 Abs. 1 OWiG) oder in einem selbständigen Verfahren möglich, wenn das vertretungsberechtigte Organ wegen der Ordnungswidrigkeit aus tatsächlichen Gründen nicht verfolgt oder das Verfahren eingestellt oder von Strafe abgesehen wird (§ 30 Abs. 4 OWiG).
Da die Voraussetzungen nach § 30 Abs. 4 OWiG wegen des gleichzeitig anhängigen Verfahrens 645 Js .../05 gegen den Landesvorsitzenden der N... nicht vorlagen, durfte das Gericht nur nach § 30 Abs. 1 OWiG verfahren und hätte einheitlich über die Einsprüche gegen die Bußgeldbescheide gegen den Landesvorsitzenden der N... F. Sch. vom 08.08.2005 und gegen die Betroffene vom 14.09.2005 entscheiden müssen.
Ein Ausnahmefall nach § 30 Abs. 4 S. 2 OWiG ist nicht gegeben, denn das Thüringer Ordnungsbehördengesetz enthält insoweit keine Sonderregelung.
Bereits aufgrund dieses Mangels kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben und war aufzuheben. Allerdings führt der Umstand, dass die Voraussetzungen für ein selbständiges Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG nicht gegeben sind, nicht - wie von der Thüringer Generalst...