Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbeserbe. Nachlassverwaltung. Antragsrecht
Leitsatz (amtlich)
Auch die Erbeserben sind berechtigt, nach § 1981 Abs. 1 BGB die Anordnung der Nachlassverwaltung zu beantragen.
Normenkette
FGG § 27; BGB § 1981 Abs. 1, §§ 1922, 1998, 2013 Abs. 1 S. 1, § 2062
Verfahrensgang
LG Erfurt (Beschluss vom 17.06.2008; Aktenzeichen 2 T 244/08) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des LG Erfurt vom 17.6.2008 abgeändert.
Der Beschluss des AG Gotha vom 8.4.2008 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG Gotha zurückverwiesen.
II. Das Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der Nachlassverwaltung hinsichtlich des Nachlasses nach dem am 7.4.1994 verstorbenen W. G.. Alleinerbin nach W. G. war aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments dessen Ehefrau E. G., die am 25.3.2003 verstorben ist. Die Antragstellerinnen sind die gesetzlichen Erben nach E. G..
W. und E. G. waren Miteigentümer eines Wohnhauses zu je ½, das nach Angaben der Antragstellerinnen 1994 mit hohen Verbindlichkeiten belastet war. E. G. hatte die Erbschaft nach ihrem Ehemann angenommen und das Wohnhaus ihrem Sohn U. G. übertragen, der auch die Verbindlichkeiten übernahm. U. G. hat die Erbschaft nach seiner Mutter ausgeschlagen. Nach dem Tod der E. G. macht die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben gegen die Antragstellerinnen Forderungen von 90.000 DM und 35.520,14 DM aus einer mit W. G. im Zusammenhang mit der Reprivatisierung eines Unternehmens geschlossenen Vereinbarung vom 2.9.1992 geltend.
Die Antragstellerinnen wollen die Haftung für die Verbindlichkeiten des W. G. auf dessen Nachlass beschränken und haben deswegen bei dem Nachlassgericht Gotha die Anordnung der Nachlassverwaltung hinsichtlich des Nachlasses des W. G. beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, das Antragsrecht nach § 1981 Abs. 1 BGB stehe nicht nur dem unmittelbaren Erben, sondern auch den Erbeserben zu. Da der Nachlass überschuldet gewesen sei, sei der Antrag wohl nach § 1982 BGB abzulehnen. Konkrete Angaben zur Masse haben sie nicht gemacht.
Das Nachlassgericht hat den Antrag am 8.4.2008 abgelehnt, da das Antragsrecht nur den Erben, nicht hingegen den Erbeserben zustehe.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat das LG Erfurt am 17.6.2008 zurückgewiesen. Auch das LG vertritt die Auffassung, das Antragsrecht nach § 1981 BGB stehe nur dem unmittelbaren Erben, dem Nachlassgläubiger, dem Erbschaftskäufer und dem Nacherben zu. Im Übrigen wird auf die Gründe des Beschlusses vom 17.6.2008 verwiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Antragstellerinnen. Sie verweisen darauf, dass z.B. auch einen Erbschein nicht nur der Erbe, sondern auch der Erbeserbe beantragen könne, obgleich dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sei. So rücke der Erbeserbe in vielfältiger Beziehung in die Rechtstellung des Erben ein. Sein Recht, die Nachlassverwaltung zu beantragen, ergebe sich unmittelbar aus § 1922 BGB.
II. Die nach §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des LG Erfurt beruht auf einem Rechtsfehler, §§ 27 FGG, 546 ZPO.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht das Recht, die Anordnung der Nachlassverwaltung zu beantragen, nicht nur dem unmittelbaren Erben, sondern auch dem Erbeserben zu und unterliegt keinen zeitlichen Beschränkungen.
Nach § 1981 Abs. 1 BGB ist die Nachlassverwaltung von dem Nachlassgericht anzuordnen, wenn der Erbe die Anordnung beantragt. Weitere Voraussetzungen oder eine zeitliche Begrenzung sieht § 1981 BGB nicht vor. Nach § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Erben nur dann kein Antragsrecht zu, wenn er für die Nachlassverbindlichkeiten (bereits) unbeschränkt haftet. Miterben können die Nachlassverwaltung nur gemeinschaftlich und vor Erbauseinandersetzung beantragen (§ 2062 BGB). Neben den Erben sieht das Gesetz nur für den Nachlassgläubiger (§ 1981 Abs. 2 BGB), den Nacherben (§ 2144 BGB) und den Erbschaftskäufer (§ 2383 BGB) ein Antragsrecht ausdrücklich vor.
Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung auch für den Erbeserben ist jedoch nicht zu schließen, dass ihm ein Antragsrecht nicht zustehen soll. Seine Berechtigung ergibt sich vielmehr unmittelbar aus § 1922 BGB. Die in § 1922 BGB normierte Gesamtrechtsfolge bedeutet den Übergang aller vererblichen Rechtspositionen auf den Erben. So gehen nicht nur das Aktivvermögen und die Verbindlichkeiten (sei es unmittelbar nach § 1922 BGB oder nach § 1967), sondern auch sonstige bestehende vermögensrechtliche Rechtslagen, wie z.B. ein Anwartschaftsrecht oder die Bindung an ein Vertragsangebot, über, soweit sie nicht kraft Gesetzes oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung in besonde...