Leitsatz

1. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist nicht in der Weise auszulegen, dass die Erzielung betrieblicher Kapitaleinkünfte für einen persönlich haftenden Gesellschafter (phG) im Rahmen seiner Beteiligung an der KGaA ausgeschlossen ist.

2. Die Schachtelprivilegien des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz 1971/2002 und des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg 1958/1973 sind auf den phG anzuwenden (Fortführung des Senatsurteils vom 19.05.2010 – I R 62/09, BFHE 230, 18).

3. Die Einkünftebestandteile des phG, die auf der Vereinnahmung von Dividenden beruhen, die bei der KGaA nach § 8b KStG von der Besteuerung befreit sind, sind nach dem für die Streitjahre geltenden Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) teilweise steuerfrei zu belassen.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz 1971/2002, Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg 1958/1973

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur ESt veranlagt werden. Der Kläger war in den Jahren 2004 bis 2008 (Streitjahre) persönlich haftender Gesellschafter (phG) einer KGaA, deren Rechtsnachfolgerin die Beigeladene ist. Gemäß Vertrag vom 1.1.1999 erhielt er für diese Tätigkeit eine feste Vergütung sowie – nach bestimmten Maßgaben – eine Beteiligung von 4 % am Gewinn der KGaA ("Gewinnvoraus").

Die Kläger vertraten die Auffassung, die Einkünfte seien teils als nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerpflichtig, teils – bezogen auf Einkünfte aus Tochtergesellschaften der KGaA – als nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG teilweise steuerpflichtig bzw. nach den Schachtelprivilegien des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des DBA-Schweiz 1971/2002 bzw. des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 des DBA-Luxemburg 1958/1973 steuerfrei und dem Progressionsvorbehalt unterfallend zu behandeln. Über die Höhe der jeweiligen Beträge besteht kein Streit.

Die Ermittlung und Besteuerung der Dividenden aus den ausländischen Tochtergesellschaften erfolgte durch die KGaA in der Weise, dass die Gewinnanteile der Komplementäre nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG abgespalten wurden und für die KGaA auf den verbleibenden Teil die Steuerfreistellung in Anspruch genommen wurde. Die Zuweisung des Gewinnanteils an die phG aus der Ausschüttung dieser Dividenden erfolgte nach der Maßgabe, diese seien ebenfalls steuerbefreit. Entsprechendes galt für sonstige Dividenden, wobei den phG diese als dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend zugeordnet wurden.

Dieser Verfahrensweise wurde durch das Betriebsfinanzamt der KGaA im Rahmen von Außenprüfungen für die Streitjahre zugestimmt. Die Wohnsitzfinanzämter der phG folgten dem nur teilweise.

Das für die Besteuerung der KGaA zuständige FA hat mit Bescheid vom 20.2.2017 die Vornahme einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Gesellschaft und ihrer phG abgelehnt. Der negative Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger den Ansatz der Einkünfte des Klägers aus seiner Gewinnbeteiligung als phG der KGaA unter Berücksichtigung der Steuerfreistellungen für die "durchgeleiteten" Dividenden gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG und der genannten Schachtelprivilegien. Das FG gab der Klage statt (FG München, Urteil vom 25.10.2018, 13 K 1241/17, Haufe-Index 12578431, EFG 2019, 267).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Die Gründe dafür sind den Praxis-Hinweisen zu entnehmen.

 

Hinweis

1. Mit der Besprechungsentscheidung hat sich der BFH erneut in rechtsgrundsätzlicher Weise mit der Besteuerung der KGaA befasst. Er hat seine Rechtsprechungslinie, wonach der persönlich haftende Gesellschafter (phG) im Grundsatz "wie ein Mitunternehmer" zu besteuern ist, ausdrücklich bestätigt und auf die praktisch wichtigen Beteiligungseinkünfte angewendet.

2. Die Besteuerung der KGaA und ihres phG ist im geltenden Recht nur rudimentär geregelt. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist "lediglich" klar,

  • dass die KGaA selbst mit ihrem Einkommen als KSt-Subjekt zu besteuern ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG);
  • dass eine natürliche Person als phG der ESt unterliegt und diese die Gewinnanteile und bestimmte Vergütungen zu versteuern hat (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG);
  • dass bei der Ermittlung des Einkommens der KGaA die vorgenannten Gewinnanteile und Geschäftsführungsvergütungen des phG abzuziehen sind, um eine ertragsteuerliche Doppelbelastung dieser Einkünfte zu vermeiden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG).

Ansonsten lässt der Gesetzgeber den Rechtsanwender bei der Besteuerung der hybriden Rechtsform der KGaA weitgehend "im Regen stehen", was zur Entstehung von im Wesentlichen zwei Besteuerungstheorien geführt hat:

  1. Nach der intransparenten Betrachtungsweise erzielt die gesamten Einkünfte die KGaA. Beim Gewinnanteil des phG handelt es sich der Sache nach um eine Dividende, die aber von § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG als Aufwendung der KGaA fingiert und von § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG als gewerbliche Einkunft des phG umqualifiziert wird.
  2. Nach der transparenten Betrac...

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