Leitsatz
1. Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.
2. Ein "typischerweise arbeitstägliches" Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des Arbeitnehmers. Ein nach Weisung "typischerweise fahrtägliches" Aufsuchen genügt aber nicht.
3. Für die Frage, ob der Arbeitnehmer denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufgrund der Weisung des Arbeitgebers "dauerhaft"aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG entsprechend heranzuziehen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 4a Satz 3, Abs. 4 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist als Baumaschinenführer beschäftigt. Zu den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) gelangte er im Streitjahr (2014) entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen der Kläger (mehrtägig) übernachtete. Die Einsätze auf den "Fernbaustellen" dauerten in der Regel die gesamte Woche. In seiner ESt-Erklärung machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit u.a. Fahrtkosten zum Sammelpunkt nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen jedoch nur mit der Entfernungspauschale. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (Thüringer FG, Urteil vom 5.12.2018, 1 K 594/16, Haufe-Index 13407253, EFG 2019, 261).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Hinweis
1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).
2. Hat ein Arbeitnehmer – wie hier unstreitig der Kläger – keine erste Tätigkeitsstätte und muss er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufsuchen (sog. Sammelpunkt), gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).
3. Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt damit voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund der Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufsuchen muss.
a) Nach dem Wortlaut "typischerweise" ist nicht maßgebend, dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder das Gebiet im VZ ausnahmslos aufzusuchen hat. Vielmehr erfordert das Gesetz nur, dass er ihn nach der Anweisung "typischerweise arbeitstäglich" aufsuchen muss. "Typischerweise" meint "in der Regel üblich", "im Normalfall". Es kommt auch nicht darauf an, dass hierbei eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer entsprechend der Weisung des Arbeitgebers den Ort in der Regel aufzusuchen hat. Ausnahmen sind mithin möglich, wie z.B. infolge einer Fortbildungsveranstaltung oder eines unvorhergesehenen Einsatzes. Es reicht auch nicht aus, wenn der Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzorten weiß, dass er an jedem Arbeitstag, an dem er Fahrten von seiner Wohnung aus durchführen wird, immer den vom Arbeitgeber festgelegten Ort vor Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit aufsuchen muss. Einem solchen Verständnis der Regelung steht der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG entgegen. Das Gesetz fordert ein "typischerweise arbeitstägliches" Aufsuchen, sodass ein nur "typischerweise fahrtägliches" Aufsuchen nicht ausreicht.
b) Ein dauerhaftes Aufsuchen ist entsprechend der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG zu bejahen, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.
4. Danach kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben. Denn es hat ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers als Sammelpunkt i.S.d. § 9 Abs. 1...