a) Testierfähigkeit bei Alkoholsucht
Die Alkoholsucht für sich allein begründet keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, die zur Testierunfähigkeit führt.
OLG Brandenburg v. 19.3.2024 – 3 W 28/24
BGB § 2229; FamFG § 26
Beraterhinweis Bei Alkoholismus liegt eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit i.S.v. § 2229 Abs. 4 BGB nur dann vor, wenn die Sucht als solche das Symptom einer schon vorhandenen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ist oder der durch die Sucht verursachte Abbau der Persönlichkeit den Wert einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erreicht hat (BayObLG v. 5.7.2002 – 1Z BR 45/01, BayObLGZ 2002, 189; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2229 Rz. 9). Dies war vorliegend nicht der Fall. Obwohl der Erblasser einen täglichen Alkoholkonsum von zehn bis zwölf Flaschen Bier hatte, lagen auch keine belastbaren Anzeichen für eine Volltrunkenheit bei der Testamentserrichtung vor, die zu einem vorübergehenden Ausschluss der Testierfähigkeit infolge einer Bewusstseinsstörung geführt hätte. Die konkrete Trinkzeit und -menge des Erblassers an diesem Tag war nicht mehr ermittelbar. Auch aus dem Testament selbst ergaben sich keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Erblassers, weil der Text flüssig und mit fester Handschrift geschrieben und inhaltlich klar abgefasst war.
b) Sittenwidrigkeit eines notariellen Testaments zugunsten einer Berufsbetreuerin
Ein notarielles Testament kann sittenwidrig sein, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf diesen einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einem von ihr herangezogenen Notar in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.
OLG Celle v. 9.1.2024 – 6 W 175/23
BGB § 138
Beraterhinweis Die Erblasserin war 92 Jahre alt, krank und verwitwet. Sie lebte in den letzten Jahren bei ihrer einzigen Tochter, die sich um sie kümmerte und versorgte. Nachdem die Tochter verstarb, wurde für die Erblasserin auf Anregung der behandelnden Ärzte eine ihr bis dahin unbekannte Berufsbetreuerin bestellt. Zwei Wochen nach Einrichtung der Betreuung beauftragte die Betreuerin einen Notar, der für die Erblasserin während eines Krankenhausaufenthalts ein Testament zugunsten der Betreuerin beurkundete. Als Grund für die Erbeinsetzung war dort die Dankbarkeit über die Pflege durch die Betreuerin angegeben.
Trotz erheblicher Kritik in der Literatur (s. Litzenburger, FD-ErbR 2021, 437206; Graf Wolffskeel v. Reichenberg, NJW 2021, 1686) hält das OLG Celle in dieser Entscheidung an seiner Rspr. (s. OLG Celle v. 7.1.2021 – 6 U 22/20, NJW 2021, 1681) fest und geht davon aus, dass das Testament wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, weil die Betreuerin die gesteigerte Beeinflussbarkeit der hilflosen und vereinsamten Erblasserin zu ihrem eigenen Vorteil in anstößiger Weise ausgenutzt hat. Von Bedeutung war insb., dass der Notar von der Betreuerin selbst beauftragt wurde und dass zwischen ihrer Bestellung und der Beurkundung des Testaments nur rund zwei Wochen lagen, in denen sich die Erblasserin überwiegend im Krankenhaus aufhielt und deshalb auch nicht gepflegt worden sein konnte.
c) Keine stillschweigende Ersatzberufung der Abkömmlinge der Lebensgefährtin
Die Einsetzung der Lebensgefährtin als Ersatzerbin stellt ohne Hinzutreten weiterer in der testamentarischen Verfügung angedeuteter Umstände keinen ausreichenden Anhalt dafür dar, dass bei einem Vorversterben der Lebensgefährtin deren noch lebende Abkömmlinge zu Ersatz-Ersatzerben berufen sind; die Regelung des § 2069 BGB ist auf solche Fälle jedenfalls nicht entsprechend anwendbar.
OLG Zweibrücken v. 27.5.2024 – 8 W 41/23
BGB § 2069
Beraterhinweis Hat der Erblasser jemanden als Erben eingesetzt, der nicht zu seinen Abkömmlingen gehört, ist die Auslegungsregel des § 2069 BGB nicht entsprechend anwendbar, auch wenn ihm die Person besonders nahe steht (BayObLG v. 23.3.1982 – BReg. 1 Z 143/81, BayObLGZ 1982, 159; OLG München v. 6.7.2006 – 31 Wx 35/06, NJW-RR 2006, 1597; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2069 Rz. 8). In einem solchen Fall ist jedoch durch individuelle Auslegung zu ermitteln, ob in der Erbeinsetzung zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten als Ersatzerben zu berufen. Entscheidend ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als erstem seines Stammes und nicht nur ihm persönlich gegolten hat (OLG Düsseldorf v. 30.7.2012 – 3 Wx 247/11, NJW-RR 2012, 1357 = ErbStB 2013, 11 [Esskandari/Bick]; OLG München v. 25.7.2016 – 31 Wx 156/15, FamRZ 2016, 2154; KG v. 17.1.2020 – 6 W 58/19, ErbR 2020, 410; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2069 Rz. 9). Anhaltspunkte für eine solche Auslegung lagen hier jedoch nicht vor. Gerade der Umstand, dass die Lebensgefährtin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits alters- und krankheitsbedingt geschwächt und auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen war, hätte es nahegelegt, die Ersatzerbeinsetzung der Lebensgefährtin wiederum ersatzweise auch auf deren Tochter und deren Enkelin zu erstrecken. Dies hat der Erblasser jedoch nicht getan.
d) Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments im Hinblick auf die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft
Die in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Anordnung, dass "nach dem Tode des Überlebend...