a) Kein "Corona-Nottestament"
Trotz pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen ist ein Nottestament nur dann wirksam, wenn während des gesamten Errichtungsakts gleichzeitig drei Zeugen anwesend sind, § 2250 Abs. 1 BGB.
OLG Düsseldorf v. 6.1.2022 – 3 Wx 216/21
BGB § 2250
ErbStB 2022, 169 [Esskandari/Bick]
Beraterhinweis Wer sich an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, kann nach § 2250 Abs. 1 BGB ein Nottestament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Weil eine amtliche Urkundsperson fehlt, übernehmen hier die Zeugen die Beurkundungsfunktion und treten damit gewissermaßen an die Stelle des Notars oder Bürgermeisters (BGH v. 1.6.1970 – III ZB 4/70, BGHZ 54, 89 = NJW 1970, 1601). Alle drei Zeugen müssen deshalb während des gesamten Errichtungsvorgangs ständig anwesend sein, also bei der Erklärung des Erblassers über seinen letzten Willen, bei der Verlesung der Niederschrift sowie bei der Genehmigung und Unterzeichnung durch den Erblasser. Das Fehlen auch nur eines Zeugen bei einem dieser wesentlichen Teilakte stellt keinen bloßen Formfehler dar, sondern macht das Nottestament unheilbar nichtig (BGH v. 1.6.1970 – III ZB 4/70, BGHZ 54, 89 = NJW 1970, 1601; OLG Stuttgart v. 5.12.2003 – 8 W 208/03, FamRZ 2004, 1605; OLG Düsseldorf v. 25.6.2015 – 3 Wx 224/14, ErbStB 2016, 49 [Esskandari/Bick]; Weidlich in Palandt, § 2250 Rz. 4). Hiervon kann auch aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen nicht abgewichen werden, zumal es sich nicht um eine neue, vom Gesetzgeber seinerzeit nicht bedachte Ausnahmesituation handelt. Unter örtlicher Absperrung i.S.v. § 2250 Abs. 1 BGB wird nämlich nach einhelliger Auffassung seit jeher auch die quarantänebedingte Isolation infolge von Seuchen verstanden (Motive, Bd. V, S. 284; Baumann in Staudinger, BGB, § 2250 Rz. 17; Sticherling in MünchKomm/BGB, § 2250 Rz. 5; Weidlich in Palandt, § 2250 Rz. 2).
b) Auslegung des Begriffs "vorhandenes Bargeld"
Wendet der Erblasser im Wege des Vermächtnisses mehreren Vermächtnisnehmern das bei seinem Tode "vorhandene Bargeld" zu, ist eine Auslegung, wonach dieses Bargeld auch "leicht verfügbares Bankguthaben" erfasst, nicht zwingend. Es gibt keine Regel, nach der unter dem Begriff "Bargeld" zwangsläufig auch das auf Bankkonten liegende Geld umfasst wird.
OLG München v. 5.4.2022 – 33 U 1473/21
BGB § 133, § 2084, § 2174
Beraterhinweis Es gibt durchaus Fälle, in denen der Erblasser unter dem Begriff "Bargeld" oder "Barschaft" nicht nur den Bargeldbestand im Haus oder in der Geldbörse versteht, sondern auch leicht verfügbares Bankguthaben (so im Fall BayObLG v. 8.5.2003 – 1Z BR 124/02, FamRZ 2004, 312) oder frei veräußerliche Kapitalanlagen (so im Fall OLG Karlsruhe v. 3.5.2007 – 19 U 58/05, ZEV 2007, 380). Zwingend in dem Sinne, dass mit dem Begriff "Bargeld" immer auch das auf Konten vorhandene "Buchgeld" erfasst sein soll, ist dies jedoch nicht, denn das auf Bankkonten liegende Geld ist begrifflich eindeutig "unbar". Im allgemeinen Sprachgebrauch sind deshalb mit "Bargeld" nicht sämtliche Zahlungsmittel, sondern regelmäßig nur die physisch vorhandenen Scheine und Münzen gemeint. Um Streitigkeiten hierüber zu vermeiden, empfiehlt es sich, im Testament stets sorgfältig und genau anzugeben, welche Arten von Kapitalanlagen von einem Geld- oder Quotenvermächtnis erfasst sein sollen (s. Kössinger/Goslich in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, C. 3. Anm. 6).
c) Kein Wiederaufleben eines widerrufenen notariellen Testaments durch erneute Unterschrift
Ein durch ein nachfolgendes privatschriftliches Testament widerrufenes notarielles Testament erlangt nicht dadurch erneute Wirksamkeit, dass es durch den Erblasser erneut mit Datumsangabe unterschrieben wird.
OLG München v. 26.1.2022 – 31 Wx 441/21
BGB § 2232, § 2247, § 2254, § 2258
ErbStB 2022, 235 [Esskandari/Bick]
Beraterhinweis Wird der durch Testament erfolgte Widerruf einer letztwilligen Verfügung widerrufen, so ist im Zweifel die ursprüngliche Verfügung wirksam, wie wenn sie nicht widerrufen worden wäre (§ 2257 BGB). Der Widerruf des Widerrufs muss in den vom Gesetz zugelassenen Formen erfolgen (Baumann in Staudinger, BGB, § 2257 Rz. 6; Sticherling in MünchKomm/BGB, § 2257 Rz. 3; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2257 Rz. 1). Erfolgt der Widerruf durch Testament (§§ 2254, 2258 BGB), müssen sämtliche Formerfordernisse eines öffentlichen oder eigenhändigen Testaments erfüllt sein (Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2254 Rz. 1). Allein die erneute eigenhändige Unterschrift unter der beglaubigten Abschrift eines wirksam widerrufenen notariellen Testaments stellt weder ein formwirksames öffentliches Testament (§ 2232 BGB) noch ein formwirksames eigenhändiges Testament (§ 2247 BGB) dar und reicht deshalb nicht aus. Ein widerrufenes eigenhändiges Testament kann der Erblasser zwar dadurch später wieder in Kraft setzen, dass er es erneut unterschreibt (BayObLG v. 5.6.1992 – 1Z BR 21/92, NJW-RR 1992, 1225) oder ein neues unterschriebenes Datum einfügt (OLG Dresden v. 12.12.1997 – 3 W 1305/97, NJWE-FER 1998, 61). Ein eigenhändiges Testament kann auch...