a) Keine Geschäftsgebühr für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments
Der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auch dann keine die Geschäftsgebühr auslösende Tätigkeit, wenn wechselbezügliche Verfügungen der Auftraggeber vorgesehen sind.
BGH v. 15.4.2021 – IX ZR 143/20
RVG § 34; RVG VV Nr. 2300
Beraterhinweis Bislang wurde überwiegend angenommen, dass der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auslöst, weil die wechselbezüglichen Verfügungen eine erbvertragsähnliche Bindung erzeugen und somit eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages i.S.d. Vorbem. 2.3 Abs. 3 RVG-VV vorliegt (so u.a. OLG Frankfurt v. 28.11.2012 – 4 U 139/12, AGS 2015, 505; OLG Düsseldorf v. 30.4.2012 – 24 U 224/11, FamRZ 2013, 727; Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, § 34 Rz. 17). Dieser Auffassung ist der BGH nicht gefolgt, weil ein gemeinschaftliches Testament auch dann kein Vertrag ist, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthält. Für den Rechtsanwalt, der für Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament entwerfen soll, ist es deshalb unerlässlich, auf eine Honorarvereinbarung hinzuwirken (§ 34 Abs. 1 Satz 1 RVG). Lehnen die Ehegatten die Vereinbarung eines angemessenen Honorars ab, muss der Rechtsanwalt das Mandat nicht annehmen. Andernfalls kann er für seine Tätigkeit nur eine erhöhte Beratungsgebühr von 325 EUR (§ 34 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. Nr. 1008 RVG-VV) zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Rechnung stellen.
b) Vergütungsanspruch des Berufsnachlasspflegers
1. Die Höhe des dem Nachlasspfleger zustehenden Stundensatzes richtet sich bei einem nicht mittelosen Nachlass gem. § 1915 Abs. 1 BGB nach den für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnisse des Nachlasspflegers sowie deren Umfang und Schwierigkeit.
2. Für einen als Berufsnachlasspfleger tätigen Rechtsanwalt oder für Personen mit vergleichbarer Qualifikation ist i.d.R. ein Stundensatz von 90 EUR (einfache) – 110 EUR (mittlere) – 130 EUR (schwierige Nachlassabwicklung) angemessen.
3. Für einen Berufsnachlasspfleger mit entspr. durch ein Fachhochschulstudium (z.B. Rechtspflegerausbildung) oder einer vergleichbaren Ausbildung erworbenen Kenntnisse ist i.d.R. ein Stundensatz von 60 EUR (einfache) – 75 EUR (mittlere) – 90 EUR (schwierige Nachlassabwicklung) angemessen.
4. Für einen Berufsnachlasspfleger mit geringerer für die Nachlasspflegschaft nutzbarer Qualifikation (z.B. Justizfachwirte, Rechts- und Notarfachwirte, Bankkaufleute) i.d.R. ein Stundensatz von 50 EUR (einfache) – 60 EUR (mittlere) – 70 EUR (schwierige Nachlassabwicklung) angemessen.
OLG Köln v. 10.2.2021 – 2 Wx 294/20
BGB § 1836, § 1915
Beraterhinweis Die Vergütung eines Nachlasspflegers bestimmt sich bei berufsmäßig geführter Nachlasspflegschaft abweichend von § 3 VBVG nach den für die Führung der Geschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Nachlasspflegers sowie nach Umfang und Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte (§ 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Höhe der Vergütung richtet sich nicht nach einem bestimmten Prozentsatz des Aktivnachlasses, sondern nach Zeitaufwand und angemessenem Stundensatz (OLG Schleswig v. 14.1.2010 – 3 Wx 63/09, FGPrax 2010, 140; OLG Düsseldorf v. 5.3.2014 – 3 Wx 245/13, NJW-RR 2014, 778; OLG Celle v. 18.1.2018 – 6 W 211/17, FamRZ 2018, 1278; Weidlich in Palandt, § 1960 Rz. 23). Die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer ist dem Nachlasspfleger zusätzlich zu erstatten (OLG Frankfurt v. 23.11.1992 – 20 W 305/91, OLGZ 1993, 257; Weidlich in Palandt, § 1960 Rz. 23). Die Vergütung wird auf Antrag vom Nachlassgericht festgesetzt (§ 168 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 FamFG). Bei der Entscheidung steht dem Nachlassgericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Die vom Nachlassgericht festgesetzte Vergütung kann der Nachlasspfleger selbst aus dem Nachlass entnehmen bzw. von dem nach § 1890 BGB an die Erben herauszugebenden Nachlassvermögen abziehen (BGH v. 15.12.2005 –, FamRZ 2006, 411; Weidlich in Palandt, § 1960 Rz. 22).
c) Nachlasspflegervergütung bei "teilmittellosem" Nachlass
Reicht der Aktivnachlass nicht zur Begleichung der gesamten Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers aus (sog. "teilmittelloser Nachlass"), ist der Nachlass gem. § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB in entspr. Anwendung des § 1836d Nr. 1 BGB als mittellos anzusehen mit der Folge, dass sich der gesamte Vergütungsanspruch gem. § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließlich nach § 3 VBVG berechnet.
OLG Oldenburg v. 26.2.2021 – 3 W 120/20
BGB § 1915, § 1836, § 1836d; VBVG § 3
Beraterhinweis Ob bei einem "teilmittellosen Nachlass" der Vergütungsanspruch des berufsmäßig tätigen Nachlasspflegers wie bei einem vermögenden Nachlass bis zur vollständigen Erschöpfung gem. § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB nach einem höherem Stundensatz festzusetzen ist (so OLG Stuttgart v. 29.5.2017 – 8 W 110/17, FamRZ 2018, 537; OLG Frankfurt v. 29.6.2018 – 21 W 75/18, FamRZ 2019, 393; OLG Düsseldorf v. 8.11.2019 – 3 Wx 62/18, FamRZ 2020, 873; OLG Hamburg v. 14.10.2019 – 2 W 72/19, FGPrax 2020, 86; Weidlich in Palandt, § 1960 Rz. 24; Reinert, ErbR 2021, 97) oder ob der Nachlass insgesamt als mittellos anzusehen ist, so dass sich der Vergütungsanspruch