a) Verwirkung des Erbanspruchs bei einer Pflichtteilsstrafklausel
Eine Aufforderung zur Nachbesserung des seitens des Pflichtteilsberechtigten angeforderten Nachlassverzeichnisses führt i.d.R. noch nicht zur Verwirkung des Erbanspruchs nach dem Längstlebenden, sofern die Pflichtteilsstrafklausel vorsieht, der Pflichtteil müsse hierzu vom Längstlebenden gefordert werden.
OLG Frankfurt v. 1.2.2022 – 21 W 182/21
BGB § 2303, § 2314
Beraterhinweis Mit einer Pflichtteilsklausel wollen gemeinschaftlich testierende Ehegatten sicherstellen, dass dem überlebenden Ehegatten nach dem ersten Erbfall der Nachlass ungeschmälert verbleibt und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Kindes gestört wird. Welches Verhalten die Sanktion auslösen soll, können die Ehegatten frei bestimmen (Litzenburger in BeckOK/BGB, § 2269 Rz. 47). Das Geltendmachen des Pflichtteils setzt im Zweifel nur ein ernsthaftes außergerichtliches Verlangen des Pflichtteils in Kenntnis der Pflichtteilsklausel voraus, nicht dessen gerichtliche Durchsetzung oder gar Auszahlung (OLG München v. 29.1.2008 – 31 Wx 68/07, NJW-RR 2008, 1034; OLG Rostock v. 11.12.2014 – 3 W 138/13, NJW-RR 2015, 776; OLG Köln v. 27.9.2018 – 2 Wx 314/18, ErbStB 2019, 71 [Esskandari/Bick]; Weidlich in Palandt, § 2269 Rz. 14). Das bloße Geltendmachen des Auskunftsanspruchs aus § 2314 BGB reicht dagegen nicht aus, weil es sich um einen selbständigen Nebenanspruch handelt (BayObLG v. 23.10.1990 – BReg. 1a Z 50/90, NJW-RR 1991, 394; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2269 Rz. 14). Der Pflichtteilsberechtigte benötigt die Auskunft über den Bestand des Nachlasses, um entscheiden zu können, ob er den Pflichtteil in Anspruch nehmen oder sich lieber die Schlusserbeinsetzung bewahren möchte. Soll der überlebende Ehegatte auch vor der Pflicht zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses verschont bleiben, empfiehlt es sich, die Pflichtteilsklausel tatbestandsmäßig weiter zu fassen und die Sanktion nicht nur an das Geltendmachen des Pflichtteils, sondern bereits an das Auskunftsverlangen zu knüpfen (Litzenburger in BeckOK/BGB, § 2269 Rz. 47).
b) Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Pflichtteilsentziehung
Die Klage auf Feststellung, dem Kläger sei sein Pflichtteilsrecht nicht durch letztwillige Verfügung des Erblassers wirksam entzogen worden, ist grundsätzlich mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Der Kläger kann Leistungsklage in Form der isolierten Auskunftsklage nach § 2314 BGB oder in Form der Stufenklage mit einem zunächst unbezifferten Antrag auf Zahlung des Pflichtteils erheben, wobei sodann die Frage der Pflichtteilsentziehung inzident zu klären ist.
OLG Celle v. 17.3.2022 – 6 U 63/21
BGB § 2333; ZPO § 256
Beraterhinweis Das Recht des Erblassers, einem seiner nächsten Angehörigen nach § 2333 BGB den Pflichtteil zu entziehen, kann Gegenstand einer positiven Feststellungsklage des Erblassers gegen den Angehörigen sein (RG v. 10.1.1918 – IV 324/17, RGZ 92, 1; BGH v. 1.3.1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2336 Rz. 1). Umgekehrt kann auch ein Angehöriger eine negative Feststellungsklage gegen den Erblasser auf Unwirksamkeit einer Pflichtteilsentziehung erheben (BGH v. 10.3.2004 – IV ZR 123/03, BGHZ 158, 226 = NJW 2004, 1874; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2336 Rz. 1). Das erforderliche Feststellungsinteresse für eine solche Klage fällt jedoch mit dem Tode des Erblassers weg (BGH v. 20.1.1993 – IV ZR 139/91, NJW-RR 1993, 391). Für den Pflichtteilsberechtigten kommt es nach Eintritt des Erbfalls nicht mehr darauf an, ob der Erblasser ein Recht zur Pflichtteilsentziehung hatte, sondern ob er selbst trotz der Pflichtteilsentziehung einen Pflichtteilsanspruch hat. Die Frage der Pflichtteilsentziehung wird damit zu einer bloßen Vorfrage für das umfassendere Rechtsverhältnis, die jetzt als dessen unselbständiges Element – auch zur Vermeidung einer unnötigen Prozesshäufung – nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Feststellungsklage sein kann (BGH v. 20.1.1993 – IV ZR 139/91, NJW-RR 1993, 391).
c) Privates und notarielles Nachlassverzeichnis
Dem Klageantrag des Pflichtteilsberechtigten, den Erben zu verurteilen, Auskunft über den Bestand des realen und fiktiven Nachlasses durch ein privates Nachlassverzeichnis zu erteilen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereits verurteilt ist, diese Auskunft durch ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erteilen.
OLG Celle v. 17.3.2022 – 6 U 67/21
BGB § 2314
Beraterhinweis Das Gesetz gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch in vier verschiedenen Stärkegraden:
Die verschiedenen Ansprüche stehen dem Pflichtteilsberechtigten nicht alternativ, sondern kumulativ ...