Eine Einsetzung als Schlusserbe entfällt, wenn der in einem Ehegattentestament zum Schlusserben eingesetzte Abkömmling nach dem ersten Todesfall trotz testamentarisch vorgesehener Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt. Es gilt dann die Anwachsung gem. § 2094 BGB als gewollt.

OLG Hamm v. 27.1.2021 – 10 W 71/20

BGB § 2087, § 2094, § 2270, § 2271

Beraterhinweis Mit einer Pflichtteilsklausel wollen gemeinschaftlich testierende Ehegatten sicherstellen, dass dem überlebenden Ehegatten nach dem ersten Erbfall der Nachlass ungeschmälert verbleibt und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Kindes gestört wird. Durch die Pflichtteilsklausel wird die Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Kinder unter die auflösende Bedingung gestellt, dass sie der Klausel nicht zuwiderhandeln (OLG München v. 7.4.2011 – 31 Wx 227/10, NJW-RR 2011, 1164; Weidlich in Palandt, § 2269 Rz. 15).

Welches Verhalten die Sanktion auslösen soll, können die Ehegatten frei bestimmen. Es kann auf das "Verlangen", das "verzugsauslösende Geltendmachen", das "Erhalten" oder das "Durchsetzen" des Pflichtteils abgestellt werden (s. hierzu Radke, ZEV 2001, 136). Das Geltendmachen des Pflichtteils setzt im Zweifel nur ein ernsthaftes außergerichtliches Verlangen des Pflichtteils in Kenntnis der Pflichtteilsklausel voraus, nicht dessen gerichtliche Durchsetzung oder gar Auszahlung (OLG München v. 29.1.2008 – 31 Wx 68/07, NJW-RR 2008, 1034; OLG Düsseldorf v. 18.7.2011 – 3 Wx 124/11, FamRZ 2012, 331; OLG Rostock v. 11.12.2014 – 3 W 138/13, NJW-RR 2015, 776; Weidlich in Palandt, § 2269 Rz. 12). Weitere subjektive Voraussetzungen wie etwa ein bewusstes oder böswilliges Auflehnen gegen den Erblasserwillen sind nicht erforderlich (OLG Hamm v. 13.2.2013 – 15 W 421/12, FamRZ 2014, 420). Die Pflichtteilsstrafklausel kann auch dann eingreifen, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Unwirksamkeit des Testaments geltend macht und seinen gesetzlichen Erbteil verlangt (OLG München v. 7.4.2011 – 31 Wx 227/10, NJW-RR 2011, 1164). In der bloßen Geltendmachung des Auskunftsanspruchs aus § 2314 BGB liegt hingegen noch kein Geltendmachen des Pflichtteils selbst, weil es sich um einen selbständigen Nebenanspruch handelt (BayObLG v. 23.10.1990 – BReg. 1a Z 50/90, NJW-RR 1991, 394; Weidlich in Palandt, § 2269 Rz. 14).

Ob die Klausel entgegen ihrer Funktion auch dann eingreift, wenn der Pflichtteil im Einvernehmen mit dem überlebenden Ehegatten ausgezahlt wird, ist nicht eindeutig geklärt (dafür OLG Frankfurt v. 2.8.2010 – 20 W 49/09, FamRZ 2011, 592; OLG Schleswig v. 24.1.2013 – 3 Wx 59/12, ZEV 2013, 501 = ErbStB 2012, 373 [Esskandari / Bick]; dagegen BayObLG v. 16.10.1963 – BReg. 1 Z 173/62, BayObLGZ 1963, 271; Kanzleiter in Staudinger, BGB, § 2269 Rz. 58b; Weidlich in Palandt, § 2269 Rz. 14; offengelassen von BayObLG v. 20.1.2004 – 1Z BR 134/02, BayObLGZ 2004, 5). Um hier eine sanktionslose Auszahlung – insb. auch aus erbschaftsteuerlichen Gründen – zu ermöglichen, empfiehlt es sich, bei der Ausgestaltung der Klausel auf das Geltendmachen "gegen den Willen" oder "ohne Einverständnis" des überlebenden Ehegatten abzustellen.

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