Die in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Anordnung, dass "nach dem Tode des Überlebenden der Nachlass zu gleichen Teilen an unsere Kinder fallen" soll und "als Nachlass das zum Zeitpunkt des Erstverstorbenen vorhandene Gesamtvermögen" gelte, deutet auch mangels anderer in diese Richtung weisender Umstände nicht darauf hin, dass damit die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft beabsichtigt und der Überlebende bzgl. des Nachlasses des Erstversterbenden nur als "Erbe auf Zeit" eingesetzt sein soll.
OLG Saarbrücken v. 9.1.2024 – 5 W 71/23
BGB § 133, § 157, § 2084, § 2269, § 2100
Beraterhinweis Wollen Ehegatten sicherstellen, dass ihr Vermögen zunächst in der Hand des überlebenden Ehegatten verbleibt und erst nach dem zweiten Erbfall auf die Kinder übergeht, kommen drei unterschiedliche Gestaltungen in Betracht:
- Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als alleinige Vollerben ein und bestimmen, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass auf die Kinder als Schlusserben übergehen soll (sog. Einheitslösung).
- Jeder Ehegatte setzt den anderen Ehegatten als Vorerben und die Kinder als Nacherben und zugleich als Ersatzerben für den Fall des eigenen Überlebens ein (sog. Trennungslösung).
- Jeder Ehegatte setzt die Kinder unmittelbar als Erben ein und wendet für den Fall, dass er zuerst verstirbt, dem anderen Ehegatten den Nießbrauch am Nachlass zu (sog. Nießbrauchslösung).
Eine Vor- und Nacherbschaft kann von den Ehegatten nur dann gewollt sein, wenn sie die Vorstellung hatten, dass beim zweiten Erbfall das beiderseitige Vermögen getrennt nach dem Vermögen des Erstversterbenden und dem Eigenvermögen des Überlebenden auf die Kinder übergehen soll (OLG Schleswig v. 6.6.2016 – 3 Wx 1/16, FamRZ 2017, 403; OLG Brandenburg v. 9.8.2021 – 3 W 67/21, ErbR 2021, 1047; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2269 Rz. 7). Bei der erforderlichen Auslegung kann auch auf vermögensbezogene Begrifflichkeiten abgestellt werden (OLG Brandenburg v. 9.8.2021 – 3 W 67/21, ErbR 2021, 1047; Litzenburger in BeckOK/BGB, § 2269 Rz. 16). Insbesondere die Formulierung, wonach als "Nachlass das zum Zeitpunkt des Erstverstorbenen vorhandene Gesamtvermögen" gelten soll, spricht hier eindeutig dafür, dass die Ehegatten von einer Verschmelzung des beiderseitigen Vermögens in der Hand des Überlebenden ausgegangen sind, wie sie für die Einheitslösung typisch ist.