§ 12 KStG fingiert bei der Überführung von Wirtschaftsgütern eine Veräußerung. Dies führt zur Besteuerung der Differenz zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem Buchwert des überführten Wirtschaftsguts. Die Regelung gilt auch, wenn bisher, z. B. infolge von § 5 Abs. 2 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG, kein Buchwertansatz vorhanden war. Als Tatbestandsvoraussetzung wird an den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts angeknüpft. In folgenden Fällen kann das Besteuerungsrecht ausgeschlossen werden:
- Überführung eines Wirtschaftsguts in ein ausl. Betriebsvermögen mit Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte;
- erstmaliges Inkrafttreten eines DBA mit Freistellung;
- Überführung eines Wirtschaftsguts von einer "Anrechnungs-" in eine "Freistellungsbetriebsstätte";
- Wechsel von einer "passiven" zu einer "aktiven" Tätigkeit i. S. eines DBA-Aktivitätsvorbehalts oder des § 20 Abs. 1 AStG;
- Überführung von Wirtschaftsgütern mit Qualifikationskonflikten.
Eine Beschränkung des Besteuerungsrechts liegt dagegen vor:
- bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausl. Betriebsstätte mit Anrechnung;
- beim Übergang eines Nicht-DBA-Staats zum DBA-Staat mit Anrechnung;
- bei der Überführung einer ausl. Betriebsstätte in eine andere Betriebsstätte, wenn darauf die ausl. Steuer angerechnet werden muss.
Da Deutschland in Nicht-DBA-Fällen sowie in DBA-Fällen mit Anrechnung insoweit in seinem Besteuerungsrecht beschränkt wird, als es die im Ausland gezahlten Steuern auf die deutsche Steuerschuld anrechnen muss, liegt also in allen Fällen eine Veräußerung i. S. v. § 12 KStG vor.
Die sich infolge der Aufdeckung stiller Reserven ergebende Steuerbelastung ohne liquiditätswirksamen Zufluss aufgrund eines Realisationstatbestands ist innerhalb der EU nicht unkritisch. Daher sieht § 4g EStG bei der Überführung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in eine Betriebsstätte eines anderen EU-Staats die Möglichkeit vor, auf unwiderruflichen Antrag des Stpfl. für jedes Wirtschaftsjahr einheitlich für alle überführten Wirtschaftsgüter einen Ausgleichsposten in Höhe der stillen Reserven zu bilden.
Der BFH hatte die sog. finale Entnahmetheorie unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung aufgegeben. Dies wurde für den Fall der Wohnsitzverlegung eines freiberuflich tätigen Erfinders bestätigt. Ursächlich hierfür war eine geänderte Auslegung des Abkommensrechts. Danach bewirkt die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Inland in eine ausl. Betriebsstätte keinen Verlust des Besteuerungsrechts Deutschlands an den während der Zugehörigkeit zum inl. Betriebsvermögen gebildeten stillen Reserven. Vielmehr besteht bei einer späteren Veräußerung die Möglichkeit zur Besteuerung, ohne dass dem die Regelungen des DBA entgegenstünden. Folglich bestehe weder eine Notwendigkeit für die Besteuerung der stillen Reserven, noch gebe es hierfür – zumindest vor Inkrafttreten des SEStEG – eine Rechtsgrundlage. Das BMF ist dieser Rspr. zunächst entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, dass der durch das SEStEG eingeführte § 4 Abs. 1 S. 3 EStG nach Auffassung des Gesetzgebers lediglich eine "Klarstellung" bedeute. Ferner wurde die Notwendigkeit einer Besteuerung zum Zeitpunkt der Überführung in eine ausl. Betriebsstätte gesehen.
Durch das Gesetz v. 8.12.2010 wurde folgender S. 4 in § 4 Abs. 1 EStG eingefügt: "Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist".
Fraglich ist, ob damit sowohl nach Inkrafttreten des SEStEG als auch nach der Änderung durch das Gesetz v. 8.12.2010 weiterhin von einer Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven zum Zeitpunkt der Überführung der Wirtschaftsgüter in eine ausl. Betriebsstätte auszugehen ist. Das BMF geht davon aus. Im Schrifttum wird dies sehr kritisch beurteilt.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die aktuelle Rspr., die sich gegen die Entstrickungsbesteuerung richtet. So geht das FG Rheinland-Pfalz davon aus, dass bei der Sitzverlegung einer SE aus europarechtlichen Gründen keine Entstrickung von Wirtschaftsgütern aus einer inl. Betriebsstätte erfolgen darf. Auch das FG Köln hat erhebliche europarechtliche Bedenken gegen die sofortige Besteuerung von stillen Reserven geäußert und eine Entstrickung mit anschließender Anwendung des § 4g EStG als unvereinbar mit dem EU-Recht erklärt.
Diese Zweifel sind vor dem Hintergrund der aktuellen Rspr. des EuGH weiter gewachsen. Der EuGH hat entschieden, dass es zwar zulässig ist, im vergleichbaren Fall der Wegzugsbesteuerung die stillen Reserven einer Kapitalgesellschaft in den Niederlanden zum Wegzugszeitpunkt zu ermitteln. Allerdings sei eine sofortige Besteuerung unionsrechtlich nicht zulässig. Fraglich ist, ob die Stundungsregelung des § 4g EStG ausreicht, um für ein...