Leitsatz
Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen sind nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar, wenn sie zwar aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs bezahlt werden können, das Unternehmen jedoch weder über einen positiven Substanzwert noch über einen positiven Ertragswert verfügt. Es handelt sich um Unterhaltsleistungen i.S.d. § 12 Nr. 2 EStG.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG , § 22 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Eltern übertrugen dem Kläger eine in gepachteten Räumen betriebene Gastwirtschaft mit allen Aktiven und Passiven. Der Betrieb war überschuldet und verfügte auch nicht über einen positiven Ertragswert. Im Zug der Betriebsübergabe übernahm der Kläger die Verpflichtung, die Eltern fortan kostenlos zu verpflegen und für deren Miet-, Strom- und Heizkosten sowie Versicherungsbeiträge aufzukommen.
Das Finanzamt verwehrte dem Kläger den Abzug einer entsprechenden dauernden Last. Das Finanzgericht gewährte den Abzug. Der zur Entscheidung über die vom Finanzamt eingelegte Revision berufene X. Senat des BFH legte dem Großen Senat des BFH die Frage vor, ob die im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarten Versorgungsleistungen auch dann als dauernde Last abziehbar seien, wenn sie zwar aus den laufenden Nettoerträgen des übergebenen Betriebs bezahlt werden könnten, aber der Substanzwert des Betriebs negativ sei und sein Ertragswert 0 DM betrage. Der Große Senat verneinte dies (vgl. Leitsatz).
Entscheidung
Ein Betrieb ohne Substanz- oder Ertragswert stelle kein Vermögen dar, das an die nachfolgende Generation übertragen werden könnte. Ein Unternehmen könne möglicherweise auch dann keinen oder sogar einen negativen Ertragswert haben, wenn es ausreichende Nettoerträge abwerfe, um die im Zusammenhang mit der Übergabe versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen.
Die zur Ermittlung des Ertragswerts eines Unternehmens zugrunde gelegten Gewinne seien nämlich um einen Unternehmerlohn zu kürzen. Sei nach Abzug des Unternehmerlohns ein Unternehmenswert nicht mehr vorhanden, so könnten die Leistungen, die der Übergeber vom Übernehmer zu seiner Versorgung erhalte, nicht mehr als vorbehaltene Erträge des übergebenen Unternehmens verstanden werden. Sie würden vielmehr ausschließlich durch die Arbeitsleistung des Übernehmers finanziert.
Hinweis
1. Mit der Besprechungsentscheidung folgt der Große Senat für den hier zu beurteilenden Fall des sog. Typus 1 nicht der Ansicht des vorlegenden X. Senats, der für diesen Fall den Abzug einer dauernden Last befürwortet hatte (BFH, Vorlagebeschluss vom 13.9.2000, X R 147/96, BStBl II 2001, 175). Die Entscheidung des Großen Senats leuchtet m.E. ein: Von einer "Vermögensübertragung" kann nicht (mehr) die Rede sein, wenn der übergebene Betrieb keinen positiven Wert besitzt oder sogar real – bei Ansatz der Teilwerte einschließlich eines etwaigen Geschäftswerts – überschuldet ist. In diesem Fall vollzieht sich der Vermögenstransfer nicht vom Übergeber zum Übernehmer, sondern vielmehr in die umgekehrte Richtung.
Zutreffend weist der Große Senat darauf hin, dass bei der Ermittlung des Unternehmensertragswerts (Geschäftswerts) ein (gedachter) Unternehmerlohn abzuziehen ist. Denn der Unternehmerlohn erhöht den objektiven – losgelöst von der Person des Unternehmers zu bestimmenden – Geschäftswert gerade nicht.
2. Wirft das übergebene Unternehmen ausreichende Nettoerträge ab, um die versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen, und besitzt das Unternehmen (nach Abzug des Unternehmerlohns) einen positiven Wert, kann sich nach Auffassung des Großen Senats der Abzug der Versorgungsleistungen als dauernde Last dennoch verbieten. Der Sonderausgabenabzug ist hier zu gewähren, wenn sich nach Abzug des Unternehmerlohns ein Unternehmenswert ergibt, der mindestens 50 % des Kapitalwerts der wiederkehrenden Leistungen ausmacht.
Insoweit stellt die im Zusammenhang mit dem "Typus 2" vom Großen Senat (GrS 1/00 auf Seite 451 in diesem Heft) verworfene "50%-Grenze" im Rahmen des Typus 1 ein Beweisanzeichen für die Abgrenzung zwischen steuerlich wirksamen Versorgungsleistungen und steuerlich unbeachtlichen Unterhaltsleistungen dar. Da es sich nur um ein Beweisanzeichen handelt, gilt der Umkehrschluss zu der vorstehenden Aussage aber nicht. D.h. die wiederkehrenden Leistungen stellen nicht zwangsläufig ganz oder zum Teil Unterhaltsleistungen dar, wenn der Unternehmenswert weniger als 50 % ihres Kapitalswerts beträgt. Die Beantwortung der Frage richtet sich vielmehr nach der Gesamtheit der Umstände des jeweiligen Falls. Die Umstände, die hierbei eine Rolle spielen, nennt der Große Senat nicht. Insoweit bedarf es der Konkretisierung durch die künftige Rechtsprechung.
3. Um den Abzug der Versorgungsleistungen als dauernde Last zu erhalten, kann es sich bei real überschuldeten Betrieben empfehlen, dass die Betriebsschulden oder ein ...