Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Zur Auslegung der Überleitungsvorschrift des § 52 Abs. 55j S. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 im Zusammenhang mit der Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. unter Berücksichtigung wechselnder Abgrenzungen zwischen einer Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sowie gleichheitsrechtlicher Gesichtspunkte.
Normenkette
§ 46 Abs. 2 Nr. 8, § 52 Abs. 55j S. 2 EStG, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 169 AO
Sachverhalt
Der Kläger reichte im Dezember 2003 ESt-Erklärungen für 1997 bis 2000 beim FA ein und beantragte zugleich im Hinblick auf die in § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das FA lehnte die Veranlagung ab, weil für die geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung nur die Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. in Betracht komme, die Frist aber abgelaufen sei und auch keine Wiedereinsetzungsgründe vorlägen.
Nachdem § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. durch Art. 1 Nr. 30 des JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150, 3157) dahingehend geändert wurde, dass die Antragsfrist von zwei Jahren entfällt, veranlagte das FA zwar für 1999 und 2000, blieb allerdings hinsichtlich 1997 und 1998 bei seiner Ablehnung, weil insoweit Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Das FG verpflichtete das FA, auch die Jahre 1997 und 1998 zu veranlagen (FG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2008, 12 K 4730/04 E, Haufe-Index 2011334, EFG 2008, 1088).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz aus den dargestellten Erwägungen.
Hinweis
Der Besprechungsfall setzt einen Endpunkt in der Reihe der Entscheidungen des VI. Senats des BFH zu § 46 EStG, in denen die Norm für einen Teil der Anwendungsfälle verfassungskonform ausgelegt (vgl. BFH, Urteile vom 21.09.2006, VI R 52/04, BFH/NV 2006, 2359, BFH/PR 2006, 475; VI R 47/05, BFH/NV 2006, 2364, BFH/PR 2006, 474) und für einen anderen Teil dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt worden war (BFH, Vorlagebeschlüsse vom 22.05.2006, VI R 49/04, BFH/NV 2006, 1932, BFH/PR 2006, 477; VI R 46/05, BFH/NV 2006, 1946, BFH/PR 2006, 476). Das BVerfG musste allerdings nicht mehr entscheiden, denn bekanntlich kam es zuvor zu einer Änderung des § 46 EStG.
1. Entscheidungserheblich war nicht allein der neu gefasste § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, sondern auch, ob diese Neufassung anwendbar war; das regelte § 52 Abs. 55j S. 2 EStG i.d.F. des JStG 2008. Danach ist § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und – hier einschlägig – in Fällen, "in denen am 28.12.2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig entschieden ist".
2. Der BFH ging davon aus, dass § 52 Abs. 55j S. 2 EStG abschließend und umfassend die Anwendbarkeit des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG regelt. Unter Berücksichtigung gleichheitsrechtlicher Gesichtspunkte konnte den beantragten Veranlagungen auch keine Verjährung entgegenstehen. Denn aufgrund der seit 2005 geänderten Rechtsprechung des VI. Senats zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 8 EStG und der nachfolgenden Reaktionen des Gesetzgebers haben vielfach zeitliche Zufälligkeiten darüber mitentschieden, ob es zu ESt-Veranlagungen kommen konnte. Deshalb lehnte es der BFH auch ab, Revisionsverfahren auszusetzen, und gab einer Klage auf Durchführung einer ESt-Veranlagung unter vergleichbaren Voraussetzungen wie hier statt (BFH, Urteil vom 29.11.2006, VI R 14/06, BFH/NV 2007, 349, BFH/PR 2007, 97).
Die Auslegung des BFH zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der für diese Jahre geltenden Fassung (a.F.) hätte im Besprechungsfall dem Kläger die Veranlagung gestattet (BFH, Urteil vom 21.09.2006, VI R 52/04, BFH/NV 2006, 2359, BFH/PR 2006, 475; VI R 47/05, BFH/NV 2006, 2364, BFH/PR 2006, 474). Diese Rechtsposition sollte sich durch die Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG im JStG 2007 nicht verschlechtern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.01.2009 – VI R 23/08 (NV)