Leitsatz
Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn, weil diese gem. § 51 BRAO zum Abschluss der Versicherung verpflichtet ist und deshalb ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers ausscheidet.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 12 Abs. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 9, § 51 BRAO
Sachverhalt
Die Klägerin bezieht als angestellte Rechtsanwältin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Zur Abdeckung von Vermögensschäden schloss sie eine Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte ab. Die Versicherungssumme pro Versicherungsfall belief sich auf 2 Mio DM. Vertragsbestandteil sind die AGB für die Vermögensschäden-Haftpflichtversicherung u.a. von Rechtsanwälten. Die Versicherungsbeiträge, die sich in den Streitjahren 1998 bis 2000 auf je 2.970 DM beliefen, trug der Arbeitgeber der Klägerin, ohne sie der LSt zu unterwerfen.
Das FA behandelte die vom Arbeitgeber getragenen Versicherungsbeiträge als zusätzlichen Arbeitslohn und erhöhte die Einnahmen entsprechend. Andererseits ließ das FA anstelle des Arbeitnehmer-Pauschbetrags Werbungskosten in Höhe der Versicherungsbeiträge zum Abzug zu.
Das FG wies die Klage ab (EFG 2007, 771).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Die Kostenübernahme erweise sich als Ertrag der Arbeit. Das eigene Interesse der Klägerin, finanziell entlastet zu werden, sei nicht zu vernachlässigen. Das FG sei von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung sei möglich; sie verstoße nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil grenzt ab, ob bei Übernahme von Beiträgen einer Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte durch den Arbeitgeber Arbeitslohn bzw. ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vorliegt, das Arbeitslohn ausschließt.
2. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer – in erster Linie dem FG obliegenden – Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden (vgl. auch: BFH, Urteil vom 11.4.2006, VI R 60/02, BFH-PR 2006, 383).
3. Im Streitfall hatte das FG die erforderliche Gesamtwürdigung der wesentlichen Umstände des Falls fehlerfrei vorgenommen.
Das FG ging zutreffend davon aus, dass ein Anwalt gem. § 51 BRAO gesetzlich verpflichtet ist, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wird mit der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der Entfernung aus diesem sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist demnach unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines Rechtsanwalts. Kommt er der gesetzlichen Verpflichtung nach, handelt er in typischer Weise im eigenen Interesse.
Soweit der Arbeitgeber eines angestellten Rechtsanwalts im Hinblick auf die Haftungsrisiken aller weiteren Sozien ein Interesse an einer die Mindestsumme von (in den Streitjahren) 500.000 DM (vgl. § 51 Abs. 4 BRAO) übersteigenden Versicherungssumme hat, folgt hieraus nicht, dass das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich zu qualifizieren wäre. Zutreffend ist auch, dass wegen dieses erweiterten Haftungsrisikos im Fall einer Sozietät eine höhere Versicherungssumme im Interesse jedes einzelnen Sozius liegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.7.2007, VI R 64/06