Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Einfuhrabgaben sind zu erheben, wenn ein anlässlich der Übersiedlung von der Schweiz in das Inland als Übersiedlungsgut zur Endverwendung angemeldeter Pkw vor Ablauf von 12 Monaten ohne vorherige Unterrichtung der Behörden veräußert wird.
Sachverhalt
Die Klägerin verlegte im Juli 2016 ihren Wohnsitz von der Schweiz nach Deutschland. Dabei meldete sie unter Verwendung des Formulars "0350 Zoll-Anmeldung für Übersiedlungsgut" am 27.7.2016 beim Hauptzollamt (HZA) einen Pkw als Übersiedlungsgut zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur Endverwendung an. Die Zollbehörde hat unter Annahme der Zollanmeldung das Fahrzeug ohne Erhebung von Einfuhrabgaben in den zollrechtlich freien Verkehr überlassen, als Überwachungszollstelle das HZA bestimmt und unter Ziffer 8 des von der Zollstelle auszufüllenden Teils der Zollanmeldung darauf hingewiesen, dass die Waren ohne vorherige Unterrichtung der Überwachungszollstelle nicht vor dem 26.7.2017 veräußert werden dürften. Bei Weitergabe vor Ablauf dieser Frist würden Einfuhrabgaben erhoben. Im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme stellte das HZA später fest, dass die Klägerin das Fahrzeug am 28.2.2017 – vor Ablauf der 12-monatigen Verwendungsfrist – wegen eines wirtschaftlichen Totalschadens infolge eines Unfalls verkauft hat (Restwert/Kaufpreis: 3.900 EUR). Die Überwachungszollstelle wurde darüber nicht informiert. Gegen den daraufhin erlassenen Einfuhrabgabenbescheid wurde erfolglos Einspruch eingelegt.
Entscheidung
Auch die Klage blieb ohne Erfolg. Eine Befreiung von den Einfuhrabgaben greift nicht ein. Gemäß Art. 3 Zollbefreiungsverordnung ist vorbehaltlich der Art. 4-11 Zollbefreiungsverordnung das Übersiedlungsgut natürlicher Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Gemeinschaft verlegen, von den Eingangsabgaben befreit. Jedoch steht die der Klägerin grundsätzlich gewährte Befreiung von Eingangsabgaben für einen Pkw als Übersiedlungsgut unter der Beschränkung des Art. 8 Abs. 1 Zollbefreiungsverordnung. Danach darf das Übersiedlungsgut vor Ablauf einer Frist von 12 Monaten nach Annahme des Antrags auf Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ohne vorherige Unterrichtung der zuständigen Behörden weder verliehen, verpfändet, vermietet, veräußert noch überlassen werden. Bei pflichtwidriger Verfügung über das Übersiedlungsgut – namentlich bei Veräußerung vor Ablauf der 12-Monatsfrist – werden die Eingangsabgaben auf die betreffenden Waren nach den zum Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Sätzen, nach der Beschaffenheit und dem Zollwert erhoben, die von den zuständigen Behörden zu diesem Zeitpunkt festgestellt oder anerkannt werden (Art. 8 Abs. 2 Zollbefreiungsverordnung). Nach diesen Grundsätzen ist eine Einfuhrzollschuld nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. b UZK entstanden, in dem die Klägerin ihren Pkw ohne vorherige Unterrichtung der Zollbehörden am 28.2.2017 und damit vor Ablauf der 12-Monatsfrist veräußert hat. Mit der (vorzeitigen) Veräußerung wurde letztlich die in Art. 8 Abs. 1 Zollbefreiungsverordnung festgelegte Verpflichtung in Bezug auf die Endverwendung der Ware nicht erfüllt.
Hinweis
Nach Ansicht des Finanzgerichts ist es unerheblich, ob die Klägerin von den Zollbehörden auf die 12-monatige Verwendungsfrist ausdrücklich hingewiesen wurde, was die Klägerin in Abrede gestellt hat. Auch die von der Klägerin angeführten Gründe für die Veräußerung stehen der Entstehung der Einfuhrabgaben nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen. Für die Veräußerung des Fahrzeugs waren zwar wirtschaftliche Gründe maßgeblich, nämlich der unfallbedingte wirtschaftliche Totalschaden sowie die zivilrechtliche Obliegenheit zur Schadensminderung. Dies ändere jedoch nichts daran, dass es sich um einen Veräußerungsvorgang, mithin um einen bewussten und gewollten Vorgang gehandelt habe.
Hinweis: Das Finanzgericht hält den hier vorliegenden Fall auch nicht mit dem Fall eines Diebstahls von Übersiedlungsgut und damit einhergehend einem fremdbestimmten, nämlich diebstahlbedingten Verlust der Verfügungsmacht über das Fahrzeug vergleichbar (vgl. hierzu FG Hamburg, Urteil v. 13.8.2002, IV 69/00).
Ebenso wenig überzeugte die Argumentation der Klägerin, dass der nämliche Pkw (also das Übersiedlungsgut) aufgrund des Unfalls gar nicht mehr vorhanden war. Nach Ansicht des Gerichts war er sehr wohl noch vorhanden, wenngleich er unfallbedingt erhebliche Schäden erlitten hatte und die an sich mögliche Reparatur aus wirtschaftlichen bzw. schadensrechtlichen Gründen keinen Sinn ergab. Ausweislich des vorliegenden Gutachtens befand sich das Fahrzeug nach dem Unfall offenkundig noch in fahrfähigem, wenn auch nicht verkehrssicherem Zustand.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil v. 18.11.2021, 4 K 1401/18