Leitsatz
Eine Vereinbarung zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer über die gesonderte Vergütung von Überstunden entspricht grundsätzlich nicht dem, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer GmbH mit einem Fremdgeschäftsführer vereinbaren würde. Dies indiziert die Veranlassung der Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis (Bestätigung der BFH-Urteile vom 19.3.1997, I R 75/96, BStBl II 1997, 577; vom 8.4.1997, I R 66/96, BFH/NV 1997, 804). Das gilt auch für Fälle, in denen die Überstundenvergütungen an mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlt werden und die Geschäftsführer keine Ansprüche auf eine Gewinntantieme haben.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 3b EStG
Sachverhalt
Die klagende GmbH ist ein Vertriebs- und Serviceunternehmen. Sie zahlte ihren beiden, je hälftig beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern, die auch selbst Serviceleistungen vor Ort erbrachten, Überstundenvergütungen. Diese machten rund ein Viertel der Gesamtvergütungen aus und wurden bei Einsätzen jenseits der Regelarbeitszeiten geleistet. Das FA sah in ihnen vGA.
Entscheidung
Der BFH ist dem gefolgt. Die Gründe, die ihn dazu bewogen haben, ergeben sich weitgehend bereits aus den Praxis-Hinweisen.
Zu ergänzen sind ein, zwei Aspekte: (1) Der BFH misst vor allem dem Umstand große Bedeutung bei, dass bei Gesellschafter-Geschäftsführern die Kontrolle der erbrachten Überstunden "praktisch nicht möglich" sei. (2) Es verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, Fremd- und Gesellschafter-Geschäftsführer unterschiedlich zu behandeln, weil Letzterer eher einem Einzel- oder Mitunternehmer gleiche, zumal dann, wenn er Alleingesellschafter-Geschäftsführer sei. Die Gleichheitsprüfung sei also diesen gegenüber vorzunehmen und nicht gegenüber den Fremdgeschäftsführern.
Hinweis
1. Der BFH hatte bereits vor einiger Zeit in den beiden im 1. Leitsatz genannten Urteilen aus dem Jahr 1997 entschieden, dass Überstundenvergütungen, die eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschafter-Geschäftsführern zahlt, unabhängig von ihrer Höhe und ihrer Angemessenheit bereits dem Grund nach vGA sind. Sie seien regelmäßig gesellschaftlich veranlasst, weil sie dem Typus des Geschäftsführers widersprächen, der letztlich "ohne Zeit und Raum" für die Gesellschaft im Einsatz sei und der nicht kleinlich Stunden und Wochenenden notiere, die er überobligatorisch für diese tätig sei. Diesem wertenden Verständnis war erhebliche Kritik entgegengebracht worden. Der BFH sah sich deshalb veranlasst, sich nochmals der Problematik anzunehmen, in einem einschlägigen Fall die Revision zuzulassen – und nunmehr seine Auffassung einmal mehr zu bekräftigen.
2. Für Sie hat das zur Konsequenz: (1) Überstundenvergütungen mit Gesellschafter-Geschäftsführern sind strikt zu meiden.
(2) Solche Vergütungen lassen sich weder auf das Fixgehalt noch auf eine Gewinn- oder eine – steuerlich ohnehin problematische – Umsatztantieme "anrechnen" und können beides auch nicht ersetzen.
(3) Überstundenvergütungen werden "durch die Bank" auch nicht dadurch konsensfähig, dass irgendwelche speziellen betriebliche Gründe angeführt werden, die die Notwendigkeit dieser Vergütungsform rechtfertigen könnten. Nur ganz ausnahmsweise und mit allergrößter Vorsicht könnte sich hier etwas anderes ergeben, z. B. bei Zuschlägen, die ein Betrieb zahlt, der in ungewöhnlicher Weise auf "Nachteinsätze" angewiesen ist und sich Fremdangestellte nicht leisten kann (Nachtclub, Tankstellen u. Ä.).
(4) In keinem Fall nützt es, wenn Sie auf die Ergebnisse irgendwelcher Umfragen verweisen, wonach Überstundenvergütungen "üblich" seien. Der BFH stellt klipp und klar heraus, dass die wie auch immer zu verstehende "Üblichkeit" kein quantitativ zu bestimmender Begriff ist, der im Weg von Umfragen oder mit empirischen Mittel zu deuten sei. Es handelt sich vielmehr um einen steuerjuristischen Begriff, der einer normativen Betrachtung unterliegt: Was üblich ist, wird also im Weg des Nachdenkens ermittelt. (Das ist eine wichtige Aussage, die auch für andere Vergütungsformen beachtlich ist, z. B. für Nur-Tantiemen oder Nur-Pensionszusagen!)
(5) Und schließlich schneidet der BFH auch die Möglichkeit ab, sich auf Fremdgeschäftsführer zu berufen, die womöglich im gleichen Betrieb Überstundenvergütungen erhalten. Denn der BFH grenzt den Gesellschafter-Geschäftsführer von einem Fremdgeschäftsführer ab und misst beide mit unterschiedlichem Maß: Zwischen Fremdgeschäftsführern und der GmbH bestehe ein Interessengegensatz, der in der Regel dafür sorge, dass die getroffenen Vereinbarungen nicht einseitig einen der Vertragspartner begünstigen.
Im Verhältnis zwischen Gesellschafter-Geschäftsführern und der GmbH bestehe ein solcher Interessengegensatz nicht. Dies sei ein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, dass er die Ungleichbehandlung rechtfertige.
Das ist ein Grundsatz, den Sie sich merken sollten: Maßstab des Fremdvergleichs ist nicht der x-beliebige Angestellte, es ist nicht einmal der Fremd...