Leitsatz
1. Eine maschinelle Umbuchungsmitteilung kann eine Aufrechnungserklärung enthalten, auch wenn das FA darin seine Bereitschaft erklärt, unter Umständen gegenteilige Buchungswünsche zu berücksichtigen.
2. Säumniszuschläge, die auf einen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollendeten Monat entfallen, sind gegen vor Verfahrenseröffnung entstandene Steuererstattungsansprüche nicht aufrechenbar.
Normenkette
§ 218 Abs. 2 AO , § 226 AO , § 388 Satz 1 BGB , § 94 InsO , § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Sachverhalt
Das FA hatte einen Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch eines inzwischen insolventen Unternehmens festgesetzt, das ihm noch aus einem Veranlagungszeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen schuldig war. Es buchte deshalb das Guthaben auf jene Umsatzsteuerschuld um und übersandte dem Verwalter dazu folgende von der EDV erstellte Umbuchungsmitteilung: „Sehr geehrte Steuerzahlerin, sehr geehrter Steuerzahler! Es wurde wie folgt umgebucht (Kontostand vom ...): ...
Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen sowie Ihre Buchungswünsche mit Steuernummer, Steuerart/Abgabeart, Zeitraum und Betrag an. Eine Berücksichtigung Ihrer Buchungswünsche ist im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen möglich.”
Als der Buchung widersprochen wurde, erteilte das FA einen Abrechnungsbescheid, in dem es das Erlöschen des Erstattungsanspruchs feststellte.
Entscheidung
Der BFH sieht den Erstattungsanspruch als durch Aufrechnung des FA erloschen und den Abrechnungsbescheid demgemäß im Wesentlichen als rechtmäßig an. Nur hinsichtlich der Säumniszuschläge, die auf einen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollendeten Monat entfallen, also erst während des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sei die Aufrechnung ausgeschlossen, weil die Gegenforderung des Insolvenzgläubigers (FA) insofern erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (vgl. § 94 InsO).
Hinweis
1. Aufrechnung ist die gegenüber dem Inhaber einer Forderung von dem Schuldner abgegebene Erklärung, die Forderung solle zugleich mit einer Forderung des Erklärenden erlöschen. Für diese Erklärung ist keine besondere Form und kein besonderer Sprachgebrauch vorgeschrieben, sie kann sich folglich auch "Umbuchungsmitteilung" nennen. Sie kann – wie jede Willenserklärung – sogar durch schlüssiges Handeln abgegeben werden.
2. Ob sie auch in einer maschinell (durch EDV) erstellten Mitteilung enthalten sein kann – d.h. ob das FA seinen Aufrechnungsentschluss auch durch die Einrichtung seiner elektronischen Datenverarbeitung betätigen und durch entsprechende EDV-Bescheide verlautbaren kann –, hatte der BFH in dem Urteil vom 21.11.1995, VII R 30/95 (BFH/NV 1996, 387) noch offen gelassen. Er hat es jetzt bejaht, was angesichts der Verbreitung mittels EDV erstellter Steuerbescheide nicht verwundern kann. Willenserklärungen können ebenso EDV-gesteuert abgegeben werden wie Verwaltungsakte so erlassen werden können (vgl. § 119 Abs. 2 Satz 1 AO, § 126 Abs. 3, § 126a BGB).
3. Der BFH verlangt allerdings, eine Aufrechnungserklärung müsse "klar und unzweideutig" sein (statt BFH, Urteil vom 15.10.1996, VII R 46/96, BStBl II 1997, 171). Das ist indes im Grund nur der (selbstverständliche) Hinweis auf die allgemein gültigen Auslegungsgrundsätze, nach denen einer Erklärung kein weitergehender Sinn beigelegt werden darf, als der Empfänger aus ihr ersehen kann und bei zumutbarer Beanspruchung seines Deutungsvermögens ersehen muss.
4. Eine Erklärung, in der wechselseitige Forderungen zum Zweck der Tilgung einander gegenüber gestellt werden, kann freilich im Einzelfall auch ein bloßes Angebot zum Abschluss eines Aufrechnungsvertrags sein. Dahin ist die Erklärung aber nur dann zu verstehen, wenn das FA keine Möglichkeit hat, einseitig aufzurechnen oder der Erklärungsempfänger doch davon ausgehen muss, dass das FA die Voraussetzungen für eine (einseitige) Aufrechnung nicht als gegeben ansieht, aber gleichwohl eine (einverständiche) Tilgung der wechselseitigen Forderungen herbeiführen möchte. Ferner wäre die Erklärung dann keine (wirksame) Aufrechnung, wenn die Aufrechnungswirkung von dem Einverständnis des Steuerpflichtigen oder dem Ausbleiben seines Widerspruchs abhängig gemacht wird; denn eine Aufrechnungserklärung duldet von Gesetzes wegen keine Bedingung (§ 388 BGB).
5. Im Besprechungsfall scheint die Umbuchungsmitteilung des FA aber nur prima facie keine wirksame Aufrechnungserklärung zu enthalten, weil das FA in ihr eine abweichende Buchung nach dem Wunsch des Steuerschuldners in Aussicht stellt. DerVorbehalt ist allerdings mehr als ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Aufrechnungsgegners nach§ 396 GBGBei näherem Hinsehen muss man nämlich diesen Vorbehalt, der allerdings mehr ist als ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Aufrechnungsgegners nach § 396 BGB, statt als das Angebot zu verstehen ist, auf Wunsch des Steuerpflichtigen ggf. die (Wirkungen de...