Leitsatz
Gewährt eine Genossenschaft ihren Mitgliedern mit Gutschriften eine umsatzabhängige Rückvergütung für die an die Genossenschaft erbrachten Lieferungen, handelt es sich um eine nachträgliche Erhöhung des Entgelts mit der Folge, dass die Genossenschaft insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 , § 17 Abs. 1 UStG 1993
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Genossenschaft, deren Zweck u.a. die Absatzförderung von Schlachtvieh war, kaufte Schlachtvieh von ihren Mitgliedern und z.T. auch von Nichtmitgliedern zu jeweils gültigen wöchentlichen Marktpreisen; den Lieferanten erteilt sie Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis.
Nach der Satzung hatten Vorstand und Aufsichtsrat zu beschließen, welcher Teil des Überschusses als genossenschaftliche Rückvergütung ausgeschüttet wird. Der verbleibende Reingewinn war – bei entsprechendem Beschluss der Generalversammlung – nach dem Verhältnis der Geschäftsguthaben der Mitglieder am Schluss des vorangegangenen Geschäftsjahres auszuschütten.
1995 erhielten die Mitglieder für das Wirtschaftsjahr 1994 eine genossenschaftliche Rückvergütung von 0,5 % "auf das gelieferte Schlachtvieh"; d.h. das einzelne Mitglied erhielt 0,5 % seines gesamten "Nettoerlöses" aus den Schlachtviehlieferungen an die Klägerin zuzüglich Umsatzsteuer. Die Klägerin erteilte den Mitgliedern auch insoweit entsprechende Gutschriften mit ausgewiesener Umsatzsteuer und machte nun diese Beträge erfolglos als Vorsteuer geltend, denn das FA war der Meinung, die Rückvergütung sei eine Modalität der Gewinnausschüttung. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Klägerin und das FG: Weil sich die Rückvergütung mit "5 % auf das gelieferte Schlachtvieh" nach dem Umfang der konkreten entgeltlichen Lieferungen des einzelnen Mitglieds an die Genossenschaft richtete, war sie als nachträgliche Erhöhung des Entgelts zu berücksichtigen.
Hinweis
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen Steuerpflichtigen geändert, so sind Steuerbetrag und korrespondierend Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Streitig war, ob eine genossenschaftliche Rückvergütung eine Entgeltsminderung darstellt.
Eine Zahlung ist Entgelt für eine bestimmte Leistung, wenn sie "für die Leistung" gewährt wird. Maßgebend sind im Regelfall die vertraglichen Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Genauso wie bei Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist umsatzsteuerrechtlich für die Beurteilung von Leistungen zwischen einer Genossenschaft und deren Genossenschafter allein entscheidend, ob die Leistung/Zahlung auf einem konkreten Leistungsverhältnis zwischen Mitglied und Genossenschaft beruht, das auf den Austausch der Leistungen des Mitglieds gegen Entgelt gerichtet ist.
Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Leistungen (auch) auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruhen. Die Genossenschaften haben – nicht anders als eine Personengesellschaft – einen Gestaltungsspielraum, ob Leistungsbeziehungen zwischen Genossenschaft und Mitglied auf gesellschaftsrechtlicher Basis oder in Form entgeltlicher Rechtsgeschäfte abgewickelt werden sollen. Für die genossenschaftliche Rückvergütung ist allein entscheidend, ob durch sie Entgelte für bestimmte Umsätze geändert werden – sei es als Entgeltsrückzahlung für Leistungen der Genossenschaft an ihre Mitglieder oder als nachträgliches Entgelt für Lieferungen der Mitglieder an die Genossenschaft.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.6.2002, V R 59/00