Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Es ist fraglich, ob Handlungen eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters stets Masseverbindlichkeiten begründen.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Seine Stellung war zunächst die eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, später wurde er zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In dieser Zeit der starken vorläufigen Verwaltung vereinnahmte der Antragsteller Entgelte für Leistungen, die die Schuldnerin (GmbH) noch vor der Bestellung als vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter ausgeführt hatte. Diese Leistungen erklärte der Antragsteller, legte dann gegen die Festsetzungen Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Da diese nicht gewährt wurde, wandte sich der Antragsteller an das FG.
Entscheidung
Der Antrag hatte insofern Erfolg, als die Aussetzung gewährt wurde, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung. Habe ein Unternehmer, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet werde, vor der Verfahrenseröffnung eine Leistung erbracht ohne das Entgelt zu vereinnahmen, trete mit der Eröffnung des Verfahrens Uneinbringlichkeit ein. Die Forderung wird Teil der Insolvenzmasse. Werde die Forderung dann später durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht, habe diese eine weitere Berichtigung nach § 17 UStG zur Folge. Diese Rechtsprechung übertrage die Finanzverwaltung auch auf die Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters. Gegen diese Auffassung gebe es aber gewichtige Stimmen in der Literatur. Zwar sei es richtig, dass bei der Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt werde. Jedoch müsse auch beachtet werden, dass Masseverbindlichkeiten etwa nur dann begründet werden können, wenn es denn später auch zur Insolvenzeröffnung kommt. Insgesamt sei damit die Rechtslage offen, so dass hier Aussetzung der Vollziehung gewährt werden müsse, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung.
Hinweis
Das Urteil verdeutlich die Komplexität, die sich aus der Behandlung der Umsatzsteuer in der Insolvenz immer wieder ergibt und darüber hinaus die Tatsache, dass dort immer noch Fragen als ungeklärt anzusehen sind. Der BFH hat in seinem Urteil v. 9.12.2010, V R 22/10, entschieden, dass Entgelte, die der Insolvenzverwalter für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung vereinnahmt, eine Masseverbindlichkeit begründen. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Gedanke, dass alle zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht bezahlten Leistungen uneinbringlich im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG werden. Handelt dann nach der Eröffnung des Verfahrens der Insolvenzverwalter, indem er Zahlungen vornimmt oder erhält, liegt eine erneute Korrektur vor, die auf § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG beruht. Diese Rechtsprechung wendet die Finanzverwaltung auch für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter an und liegt damit wohl auf einer Linie mit der h. M. in der Literatur (s. etwa Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 45ff). Da die Stellung des vorläufigen starken Insolvenzverwalters dem des Insolvenzverwalters bereits recht nahe kommt, erscheint die Ansicht auch zutreffend. Gleichwohl gibt es einige Argumente, die gegen sie sprechen. Wegen dieser ungeklärten Rechtslage gewährte das FG die Aussetzung der Vollziehung, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung.
Der Senat hatte die Beschwerde zum BFH zugelassen, die Entscheidung ist aber in der Zwischenzeit rechtskräftig.
Link zur Entscheidung
FG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11.01.2013, 2 V 90/12