Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Arabica ist Unternehmerin, da sie selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist; zu dem Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung gehört der Coffee-Shop.
Kleinunternehmereigenschaft ausschließen
Evtl. müsste – gerade bei Unternehmensgründung – noch geprüft werden, ob Kleinunternehmereigenschaft vorliegt. Wenn – hochgerechnet auf einen Jahresumsatz – der Gesamtumsatz im Gründungsjahr nicht mehr als 22.000 EUR betragen wird, wäre Kleinunternehmerbesteuerung gegeben.
Die Leistungen werden im Leistungsaustausch ausgeführt, da die Leistungsempfänger eine Gegenleistung erbringen. Der Verkauf der Kaffeespezialitäten zum Mitnehmen stellt eine Lieferung dar, da Verfügungsmacht an dem Getränk verschafft wird und keine die Leistung prägende sonstige Leistung erbracht wird, insbesondere werden keine Verzehreinrichtungen bereitgestellt. Der Ort der Lieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG und ist dort, wo die Warenbewegung beginnt. Die Umsätze sind in Berlin ausgeführt und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor, sodass die Leistung auch steuerpflichtig ist.
Fraglich ist der anzuwendende Steuersatz. Kaffee als solcher unterliegt nach Nr. 12 der Anlage 2 zum UStG zwar dem ermäßigten Steuersatz, die Unternehmerin verkauft aber nicht Kaffee, sondern Kaffeegetränke, sodass der ermäßigte Steuersatz aus diesem Grund nicht zur Anwendung kommen kann. Der Verkauf könnte aber auch nach Nr. 35 der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, da Milchmischgetränke mit einem Anteil an Milch oder Milcherzeugnissen von mindestens 75 % des Fertigerzeugnisses zu den begünstigten Lebensmitteln gehören. Soweit bei dem Verkauf des Cappuccino Classico der Milchanteil mindestens 75 % beträgt, würde die Lieferung dem ermäßigten Steuersatz von 7 % nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG unterliegen. Dies gilt aber nur, soweit der Cappuccino mit Kuhmilch verkauft wird. In der veganen Version mit Soja-Milch liegt kein Milchmischgetränk nach Nr. 35 der Anlage 2 zum UStG vor, sodass in diesem Fall die Lieferung mit 19 % Umsatzsteuer nach § 12 Abs. 1 UStG zu besteuern ist.
Kekse keine eigenständige Leistung
Die Abgabe der Kekse zu dem Verkauf der Getränke stellt keine eigenständig zu beurteilende Leistung dar, sondern eine Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teilt. Eine Aufteilung in unterschiedlich zu besteuernde Leistungen, die unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen, kann deshalb nicht erfolgen.
Fraglich ist der Vorsteuerabzug aus der Rechnung für den Einkauf der Kekse. Der Verkäufer führt mit dem Verkauf der Kekse eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung aus. Fraglich ist der anzuwendende Steuersatz für die Ware. Kekse unterliegen als Backwaren nach Nr. 31 der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 % nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Umstritten könnte sein, ob die separat verpackten und mit dem Logo der Unternehmerin versehenen Kekse noch als "Lebensmittel" anzusehen sind oder ob dadurch ein anderer Gegenstand ("Werbemittel") vorliegt, für den der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden ist.
Anhängiges Revisionsverfahren
Der BFH muss sich in einem Revisionsverfahren mit einem vergleichbaren Fall des Verkaufs von Gummibären als Werbeartikel beschäftigen. In dem Verfahren war das Finanzgericht von einer regelbesteuerten Lieferung ausgegangen, da es sich nicht um "Gummibärchen" oder "Bonbons" handeln würde, sondern "Werbeartikel" verkauft würden, die nicht unter eine Steuersatzermäßigung fielen. Der BFH hat mittlerweile die Aussetzung der Vollziehung gewährt und erhebliche Zweifel an dem Urteil des Finanzgerichts geäußert.
Es ist damit zu rechnen, dass der BFH nach dem Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung auch im Hauptsacheverfahren den ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung der für Werbezwecke verwendeten Lebensmittel anwenden wird. Dies wäre auch zu begrüßen, da die Entscheidung des Finanzgerichts systematisch nicht überzeugen konnte und wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt hat. Damit unterliegen die gelieferten Kekse dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. Z. m. Nr. 31 der Anlage 2 zum UStG. Der liefernde Unternehmer hat danach einen zu hohen Steuerbetrag ausgewiesen.
Steuerschuld nach § 14c UStG
Der leistende Unternehmer schuldet den unrichtig ausgewiesenen Steuerbetrag, kann aber die Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen.
Die Leistungsempfängerin kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur die für die Lieferung geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Eine unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer ist grundsätzlich nicht als Vorsteuer abzugsfähig. Da die Leistungsempfängerin 1.190 EUR aufwendet, sind in diesem Betrag 7 % Umsatzsteuer (= 77,85 EUR) enthalten, die sie als die "zutreffende" Umsatzsteuer abziehen kann. Ein Ausschlussgrund nach § 15 Abs. 2 UStG liegt nicht vor, da sie keine steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließende...