Zusammenfassung
Bei einem USt-Karussell machen sich die Täter folgende Auswirkungen des Umsatzsteuersystems zunutze:
- Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferungen verbunden mit dem Vorsteuerabzug aus dem vorherigen Bezug der Ware; auf Grund dieser Rechtssituation kam es allerdings auch schon früher zu Hinterziehungs-Fällen, bei denen Ausfuhrlieferungen nur vorgetäuscht wurden;
- Vorsteuern lassen sich dadurch erhöhen, dass Scheinrechnungsaussteller ("Missing Trader") vorgeschaltet werden; das USt-Karussell ist somit letztlich ein Scheinrechnungs-Problem, wie es auch von inländischen Fallkonstellationen (z. B. auf dem Bausektor) bekannt ist;
- der "Karussell-Charakter", d. h. die Vorgehensweise, Waren zur Vorsteuer-Erschleichung mehrfach durch ein oder mehrere Karusselle zu schleusen, wird durch den Auslandsbezug ermöglicht.
1 Ziel der Umsatzsteuer-Karusselle
USt-Karusselle kommen in vielen Erscheinungsformen vor: Die Ware kann existieren oder – zumindest in dem behaupteten Umfang – nicht existieren. Die Ausfuhr kann tatsächlich erfolgt oder nur vorgetäuscht sein, d. h., die Ware kann letztlich im Inland verkauft worden sein. Beim ausländischen Abnehmer oder Lieferant kann es sich um ein real existierendes Unternehmen oder eine "Briefkastenfirma" handeln, deren Zweck z. B. die Weiterveräußerung in ein weiteres EU-Land ist. Manchmal wird die Ware auch in Nicht-EU-Länder verschickt (Osteuropa, Asien), um an unbekanntem Ort wieder ins Karussell eingebracht zu werden. Zweck solcher Umwege ist die Verhinderung des Nachvollzugs der Lieferwege.
Für die an einem Karussell beteiligten Firmen werden folgende Begriffe verwendet:
- Missing Trader (MT) = Firma, die Scheinlieferungen tätigt; die Firmen sind teilweise nur wenige Monate existent
- Buffer = Pufferfirma; Zwischen- oder Durchlauffirma; aktive Firma, die ihren steuerlichen Pflichten nachkommt
- Distributor = Großhändler, Direktabnehmer des Produzenten
Die Ermittlungen der Steuerfahndung werden zumeist durch hohe Vorsteuerbeträge ausgelöst, die dann zu den "MT" führen. In der Folge müssen die Gesamtabläufe innerhalb des Karussells erforscht werden. Er dann wird erkennbar, inwieweit Geschäfte lediglich vorgetäuscht werden und keine wirkliche Beteiligung am Wirtschaftsverkehr erfolgt ist. Nur die Gesamtprüfung vermag die Tatbeteiligung der Verantwortlichen aufzudecken. Der Ermittlungsaufwand in Karussell-Fällen ist somit beträchtlich.
Ermittlungsschwierigkeiten für die Steuerfahndung ergeben sich wegen der Auslandsberührung ("hinter der Grenze ist es für den Fiskus dunkel") sowie bereits infolge der föderalistischen Struktur Deutschlands (Landesfinanzbehörden).
Problematisch ist zudem der Nachweis der Schuld. Vor allem das gemeinsame Zusammenwirken aller an einem Karussell Beteiligten ist schwer nachweisbar. Die verschachtelten (fiktiven) Lieferketten werden bewusst mit dem Ziel errichtet, das gemeinsame Handeln zu verschleiern. Eingeschaltete Zwischenfirmen wurden oft in Einzelheiten nicht eingeweiht und waren deshalb über die Hintergründe nicht informiert.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG eine Rolle, wonach eine Lieferung ins Ausland auch dann steuerfrei ist, wenn der ausländische Abnehmer zwar infolge unrichtiger Angaben zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nicht berechtigt war, der Lieferant ("Distributor") dies aber nicht erkennen konnte.
Bei einem Gebrauchtwagenverkauf gegen Barzahlung nach einfacher Bestätigungsanfrage und Vorlage von Handelsregisterauszug und Personalausweiskopie des Geschäftsführers und des Abholers kann sich ein Unternehmer im Hinblick auf die Person und die Anschrift des Abnehmers auf den Gutglaubensschutz gem. § 6a Abs. 4 UStG berufen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der vorgelegten Kopie um eine Fälschung handelt, dies aber nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Wirkt der Unternehmer bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung an der Verschleierung der Identität des tatsächlichen Erwerbers bewusst mit, darf die Lieferung nicht als steuerfrei behandelt werden.
Hat ein KfZ-Händler ein Fahrzeug an eine Firma mit Sitz in Österreich verkauft, kann er diesen Umsatz nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandeln, wenn er sich beim Erwerb des Fahrzeuges den Kfz-Brief nicht hat vorlegen lassen, deshalb mangels Eigentümerstellung des Veräußerers auch nicht gutgläubig Eigentum erwerben konnte und folglich selbst keine Lieferung gegenüber dem in Österreich ansässigen Käufer erbracht hat.
Bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist
- eine fehlende Übereinstimmung von Rechnungsdatum und Lieferdatum,
- das Fehlen einer fortlaufenden Rechnungsnummer,
- ein Schreibfehler bei dem Hinweis auf die innergemeinschaftliche Lieferung und
- eine sprachliche Ungenauigkeit bei der Verbringensbestätigung
kein Grund, Vertrauensschutz gem. § 6a UStG zu versagen. Zur Erfüllung der kaufmännischen Sorgfaltspflichten gehört...