OFD Erfurt, Verfügung v. 29.6.1999, S 7100 A - 05 - 343
Bezug: OFD Erfurt vom 4.5.1998, S 7100 A - 05 - St 343
Die Anreise zur Arbeitsstelle ist grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers.
Die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betriebseigenen Kfz durch den Arbeitgeber dient grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken. Darin liegen umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Arbeitgebers i.S.d. § 3 Abs. 9 a UStG.
Der EuGH hat mit Urteil vom 16.10.1997, Rs C-258/95 diese Grundsätze bestätigt (Rdnrn. 26 und 27), jedoch auch ausgeführt, unter besonderen Umständen könnten die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, daß der Arbeitgeber selbst die Beförderung der Arbeitnehmer von deren Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück sicherstellt. Als Gründe hierfür werden der Mangel an anderen geeigneten Verkehrsmitteln und wechselnde Arbeitsstätten genannt (Rdnr. 29). Im Urteilsfall erfolgte die Beförderung der Arbeitnehmer ab einer bestimmten Entfernung zu den Arbeitsstätten (Baustellen), die häufig nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar waren, wobei die Arbeitnehmer wechselnde Arbeitsstätten hatten. Auf Grund dieser besonderen Umstände erfolgte die unentgeltliche Arbeitnehmer-Sammelbeförderung nicht zu unternehmensfremden Zwecken und war in diesem Fall nicht steuerbar.
Entsprechende Feststellungen finden sich auch im BFH-Urteil vom 9.7.1998, V R 105/92, BStBl 1998 II S. 635. Danach können besondere Umstände, die eine Beförderung aus betrieblichen Gründen erforderlich machen, ständig wechselnde Arbeitsstellen sein, wenn diese auf Grund der jeweiligen Entfernung außerhalb eines „weiträumigen Arbeitsgebiets” liegen (vgl. LStH 37 – amtliches Lohnsteuerhandbuch 1999) oder fehlende andere Beförderungsmöglichkeiten es gebieten oder den Arbeitgeber zwingen, die Beförderung seiner Arbeitnehmer zu übernehmen. Liegen ertragsteuerrechtlich wechselnde Einsatzstellen vor, kann die Arbeitnehmer-Sammelbeförderung nicht steuerbar sein. Für Zwecke der Umsatzsteuer ist aber nach eigenen Kriterien zu prüfen, ob die Beförderung der Arbeitnehmer auf Grund der großen Entfernungen oder mangels anderer Beförderungsmöglichkeiten zu unternehmerischen Zwecken erbracht wurde und damit nicht steuerbar ist.
Der BFH hat in einem weiteren, nicht amtlich veröffentlichten Urteil (vom 12.2.1998, V R 69/93, BFH/NV 1998 S. 1131) die Arbeitnehmer-Sammelbeförderung als überwiegend im betrieblichen Interesse erfolgt angesehen, weil die wechselnden Arbeitsstellen im entschiedenen Fall eindeutig mindestens 50 km vom Sitz der Klägerin entfernt waren. Aus dieser Entscheidung kann keine allgemeine Entfernungsgrenze abgeleitet werden.
Die Beförderungsverpflichtung des Arbeitgebers auf Grund eines Tarifvertrages führt nicht schon zur Nichtsteuerbarkeit der Beförderungsleistung; sie kann aber ein Anhaltspunkt dafür sein, daß die Beförderung nicht unternehmensfremden Zwecken dient.
Nach einer Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.11.1998, V 53/94 (NZB eingelegt) wurde das Vorliegen besonderer Umstände für die Leistungen eines Bauunternehmers, der durchschnittlich 50 bis 70 Arbeitnehmer beschäftigte, von denen er durchschnittlich 22 unentgeltlich mit betriebseigenen Fahrzeugen zu den verschiedenen Baustellen im Umkreis von 100 km beförderte, verneint, da die Mehrheit der Arbeitnehmer die Fahrt zur Arbeitsstätte selbst ausgeführt hatte und keine über das allgemeine Interesse eines Arbeitgebers, den ordnungsgemäßen und pünktlichen Arbeitsablauf zu gewährleisten, hinausgehenden Gründe für die Durchführung der Arbeitnehmer-Sammelbeförderung ersichtlich waren.
Das FG Köln hat mit Urteil vom 28.8.1998, 15 K 90/93 (Revision eingelegt), EFG 1999 S. 252 entschieden, daß eine Sammelbeförderung geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer keine umsatzsteuerbare entgeltliche Leistung des Arbeitgebers darstellt, wenn die Arbeitsstätte 3 bis 6 km entfernt liegt und zum Zeitpunkt des Arbeitsbeginns nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, die gemeinsame An- und Abreise die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit erleichtert und der Unternehmer ohne diese Beförderung keine Arbeitskräfte zur Durchführung seiner Aufträge gefunden hätte.
Besondere Umstände, bei denen der mit der Zuwendung verfolgte betriebliche Zweck den privaten Bedarf der Arbeitnehmer überlagert, sind daher u.a. anzunehmen, wenn:
- die Arbeitnehmer an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder an verschiedenen Stellen eines weiträumigen Arbeitsgebiets eingesetzt werden,
- die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Zeitaufwand durchgeführt werden könnte oder
- im Einzelfall die Beförderungsleistungen wegen eines außerordentlichen Arbeitseinsatzes erforderlich werden oder wenn sie dem Materialtransport an die Arbeitsstelle dienen und der Arbeitgeber dabei einige Arbeitnehmer unentgeltlich mitnimmt (vgl. BFH-Urteil vom 9.7.1998,...