Zugleich Anmerkungen zu FG Hamburg v. 24.5.2024 – 5 K 77/22 (rkr.)
[Ohne Titel]
StB Robert C. Prätzler
Die Steuerbefreiung von Finanzumsätzen bewirkt im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich einen Verlust des Vorsteuerabzugsrechts aus für diese verwendeten Eingangsleistungen. Um diesen Nachteil teilweise kompensieren zu können, sieht § 9 UStG bei entsprechenden Umsätzen an andere Unternehmer für deren Unternehmen ein Wahlrecht vor, auf die Steuerbefreiung zu verzichten (Option zur Steuerpflicht). Mit dem Urteil des FG Hamburg vom 24.5.2024 liegt erstmals eine veröffentlichte deutsche finanzgerichtliche Entscheidung zu der Frage vor, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Finanzumsätzen mit Leistungsort in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglich ist. In dem Beitrag wird die Entscheidung kurz dargestellt, in den Kontext eingeordnet und Problemfelder näher erörtert.
1. Einleitung
Die Steuerbefreiung von Finanzumsätzen bewirkt im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich einen Verlust des Vorsteuerabzugsrechts aus für diese verwendeten Eingangsleistungen. Um diesen Nachteil teilweise kompensieren zu können, sieht § 9 UStG bei entsprechenden Umsätzen an andere Unternehmer für deren Unternehmen ein Wahlrecht vor, auf die Steuerbefreiung zu verzichten (Option zur Steuerpflicht).
Erstmalig nationales finanzgerichtliches Urteil: Mit der Entscheidung des FG Hamburg vom 24.5.2024 liegt erstmals eine veröffentlichte deutsche finanzgerichtliche Entscheidung zu der Frage vor, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Finanzumsätzen mit Leistungsort in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglich ist.
Im Folgenden wird die Entscheidung kurz dargestellt, in den Kontext eingeordnet und Problemfelder näher erörtert.
2. Entscheidung des FG Hamburg
Der zugrunde liegende Sachverhalt: Eine inländische Unternehmerin hatte für Banken in Frankreich, Lettland, Malta und Rumänien Finanzprodukte vermittelt. Sie war der Auffassung, dass sie aus dieser Tätigkeit vollumfänglich zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, und stützte sich in erster Linie auf einen Verzicht auf die Steuerbefreiung der Umsätze. Der BFH habe bereits für den Fall einer Grundstücksvermietung entschieden, dass ein solcher Verzicht grenzüberschreitend anzuerkennen sei.
Das zuständige Finanzamt lehnte dagegen den Vorsteuerabzug ab und begründete dies mit einem fehlenden Nachweis des Verzichts auf die Steuerbefreiung seitens der Unternehmerin.
Das FG gelangte zu einem differenzierten Ergebnis. Grundsätzlich bejahte es die Zulässigkeit eines Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung bei Leistungsort in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Dies ergebe sich insbesondere aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Morgan Stanley & Co. International".
Allerdings sei nach dem Umsatzsteuerrecht von Lettland, Malta und Rumänien überhaupt kein Verzicht auf die Steuerfreiheit von Finanzumsätzen vorgesehen. Dementsprechend verneinte das FG ein entsprechendes Vorsteuerabzugsrecht. Es komme nicht nur darauf an, dass nach deutschem Recht auf die Steuerbefreiung verzichtet werden könne, sondern ein solcher müsse auch nach dem nationalen Recht des Besteuerungslandes zulässig und durchgeführt worden sein. Dies entspreche der durch den BFH angewendeten Logik.
Für Frankreich sei dies der Fall. Die Unternehmerin habe wirksam auf die Steuerbefreiung verzichtet und die entsprechenden Leistungen unter Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers abgerechnet sowie entsprechend in ihren Zusammenfassenden Meldungen angegeben. Anders als von der Finanzverwaltung gefordert, sei es nicht notwendig, dass ein Nachweis über die tatsächliche Durchführung der Umsatzbesteuerung in Frankreich vorgelegt werde. Insbesondere könne ein amtlicher Nachweis in Form einer Bescheinigung der für den Leistungsempfänger zuständigen Steuerbehörde nicht verlangt werden.
Dementsprechend gewährte das FG den Vorsteuerabzug in Zusammenhang mit den Umsätzen nach Frankreich und verweigerte den Vorsteuerabzug für die Umsätze nach Lettland, Malta und Rumänien.
3. Kontext
a) Unionsrecht
Umsatzsteuerbefreiung schließt grundsätzlich das Vorsteuerabzugsrecht aus Eingangsleistungen aus: Art. 135 Abs. 1 b) bis g) MwStSystRL regelt, dass zahlreiche Bank- und Finanzumsätze von der Umsatzsteuer befreit sind. Diese Umsatzsteuerbefreiung schließt jedoch zugleich grundsätzlich das Recht auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen aus. Hintergrund für die Steuerbefreiung von Finanzumsätzen sind ausweislich der Rechtsprechung des EuGH zum einen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlagen sowie zum anderen das gesetzgeberische Z...