Da es sich vorliegend um eine einheitliche Leistung handelt, muss die Einräumung der Nutzungsrechte den Hauptbestandteil der Leistung ausmachen und das Abhalten des Vortrags sich als unselbstständige Nebenleistung darstellen, damit die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG Anwendung findet. Allein das Einräumen von Nutzungsrechten an einem vom UrhG geschützten Werk führt nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7c UStG. Die Einräumung des Urheberrechts muss vielmehr den (die einheitliche Leistung prägenden) Hauptbestandteil der sonstigen Leistung bilden. Die Entgeltzahlung muss gerade auf die Einräumung des Nutzungsrechts gerichtet sein. Es reicht nicht aus, wenn im Rahmen eines Umsatzes auch Rechte nach dem Urheberrecht übertragen werden, wenn dies nicht der Schwerpunkt des umsatzsteuerbaren Vorgangs ist. Das Einräumen der Nutzungsrechte des Referenten gegenüber dem Veranstalter des Online-Seminars muss der einheitlichen Leistung das wesentliche Gepräge geben. Dabei ist es unerheblich, ob die Leistungen in der Rechnung z.B. mit "Übertragung von Nutzungsrechten" o.Ä. ausdrücklich bezeichnet sind oder nicht.
Einen ersten Anhaltspunkt für die Beurteilung, ob die Einräumung der Nutzungsrechte gegenüber dem Veranstalter der einheitlichen Leistung das wesentliche Gepräge gibt, kann die Entscheidung des FG Münsters vom 17.6.2021 bieten. Das FG hat die urheberrechtliche Nutzungsrechtseinräumung im Rahmen von Online-Webinaren, die auf eine größere Zahl von Teilnehmern ausgerichtet sind und in denen Klavierkenntnisse vermittelt wurden, nur als unselbstständige Nebenleistung angesehen, auf die der Regelsteuersatz Anwendung findet.
Sicht des Leistungsempfängers maßgeblich: Allerdings wird man diese Einordnung des FG Münsters nicht gleichermaßen auf die vorliegend zu beurteilende Konstellation der Erbringung von Online-Vorträgen gegenüber einem Seminaranbieter übertragen können. Maßgeblich für die Bewertung des Hauptbestandteils der Leistung ist die Sicht des Leistungsempfängers. Der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs muss hiernach auf die Verwertung des Werks und nicht nur auf die Anwendung des Werks gerichtet sein. Im Sachverhalt, der dem Urteil des FG Münsters zugrunde lag, führte der Referent die Online-Webinare selbst als Veranstalter durch. Aus Sicht der Teilnehmer des Webinars als Leistungsempfänger lag der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung in der Anwendung des Erlernten. Die zusätzliche Einräumung von etwaigen Nutzungsrechten war aus Sicht der Teilnehmer daher nicht maßgeblich für die Vertragsdurchführung.
Üblicherweise bietet der Referent eines Online-Seminars jedoch nicht die Leistungen direkt gegenüber den Zuhörern an, sondern wird durch einen Dritten als Veranstalter gebucht, gegenüber dem er seine Leistungen auch abrechnet. Abzustellen ist damit auf die Sicht des Veranstalters als Leistungsempfänger und nicht auf die Sicht der Zuhörer des Vortrags.
Zur Beurteilung des Hauptbestandteils der Leistung aus Sicht des Leistungsempfängers hat sich auch das FG Köln in einer Entscheidung vom 18.10.2006 geäußert, bei der ein freier Mitarbeiter eines Rundfunksenders, der für die Planung, Gestaltung und Moderation von Hörfunksendungen urheberrechtlich geschützte Sprachwerke geschaffen und die Nutzungsrechte dem Sender eingeräumt hat. Dabei hat das FG angenommen, dass die Rechteübertragung als Hauptleistung der einheitlichen Leistung des freien Mitarbeiters anzusehen sei. Aus Sicht des Senders als Leistungsempfänger sei entscheidend, dass er die produzierten Sendungen überhaupt ausstrahlen könne; die Einräumung des Senderechts nach § 20 UrhG gebe somit den Leistungen des Mitarbeiters das Gepräge.
Einräumung des Senderechts ist Hauptbestandteil der Leistung: Übertragen auf die vorliegende Konstellation der Erbringung von Onlineseminaren gegenüber dem Anbieter bedeutet dies, dass für den Veranstalter des Online-Seminars als Leistungsempfänger maßgeblich ist, dass er den Vortrag des Referenten überhaupt im Rahmen eines Livestreams ausstrahlen darf. Die Ausstrahlung per Livestream ist wesentliche Bedingung für die Möglichkeit des Angebots eines Online-Seminars. Hierzu bedarf es – wie oben dargelegt – der vertraglichen Einräumung eines Senderechts nach § 20 UrhG seitens des Referenten. Dem Veranstalter ist nicht damit geholfen, wenn der Referent bloß den Vortrag erstellt, diesen dem Veranstalter überlässt, der Veranstalter den Vortrag aber nicht ausstrahlen darf. Mithin ist die Einräumung des Senderechts nach § 20 UrhG für die Online-Seminare aus Sicht des Veranstalters als Leistungsempfänger des Referenten das prägende Element und der (prägende) Hauptbestandteil der Leistung. Die Erstellung und das Abhalten des Vortrags stellt dabei nur eine unselbstständige Nebenleistung dar, die das Schicksal der Nutzungsrechtseinräumung als Hauptleistung teilt. Ohne die Einräumung eines Nutzungsrecht und der damit verbundenen Ausstrahlungsmöglichkeit verfolgt der Vortrag an sic...