Leitsatz
Bestreitet der Leistungsempfänger substanziiert Bestehen und Höhe des vereinbarten Entgelts, kommt – übereinstimmend mit der Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger – beim Leistenden eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 in Betracht.
Normenkette
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG , Art. 11 Teil C Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 Buchst. b 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Energieversorgung A-AG. Gegenstand des Unternehmens der A-AG war die Erzeugung, Fortleitung und Absatz von Energie jeglicher Art.
Auf der Grundlage einer sog. Verständigungslösung aus dem Jahr 1992 übertrug die A-AG Grundstücke, Gebäude, Anlagen und Einrichtungen des Primärfernwärmenetzes auf eine GmbH. Für die vollzogene Übertragung erteilte die Klägerin der GmbH 1993 mehrere Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuerbeträge erklärte sie in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1993.
Die GmbH weigerte sich unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten die in Rechnung gestellten Beträge zu zahlen. Sie bestritt unter Beachtung der im Vertrag vom 23.9.1993 vereinbarten Faktoren für die Berechnung des Entgelts die Entgeltsforderung der Klägerin in voller Höhe.
Nach einer erfolglosen Mahnung in einem späteren Veranlagungszeitraum buchte die A-AG die streitigen Forderungen in voller Höhe aus und minderte dementsprechend in der Umsatzsteuerjahreserklärung ihre Umsätze.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH begründet auch das substanziierte Bestreiten und der daraus folgenden Erklärung, die Forderung nicht bezahlen zu wollen, eine Uneinbringlichkeit der Forderung i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Der BFH verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Angesichts der Vielzahl bewertungsabhängiger Berechnungsfaktoren habe die Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin die Entgeltsforderung nicht oder nicht in voller Höhe werde durchsetzen können. Anhaltspunkte dafür, warum trotz konkretisierter Einwendungen des Leistungsempfängers gegen die Entgeltsforderung dennoch mit einer vollständigen Entgeltszahlung zu rechnen war, habe das FG nicht festgestellt. Alleine der Hinweis auf das Privatgutachten reiche nicht aus.
Hinweis
Das Soll-Prinzip in der Umsatzsteuer verpflichtet den Unternehmer, die Umsatzsteuer bereits in dem Zeitpunkt an das Finanzamt zu zahlen, in dem er die Leistung ausgeführt hat. Der Zeitpunkt des Zahlungseinganges ist, mit Ausnahme der Vereinnahmung vor Leistungsausführung, unbeachtlich. Da aber letztendlich nur das tatsächlich gezahlte Entgelt der Besteuerung unterworfen werden darf, sieht § 17 UStG eine Berichtigung bei Änderung der Bemessungsgrundlage vor. Dies gilt sowohl für den Leistenden als auch für den Leistungsempfänger.
Unproblematisch ist diese Berichtigungspflicht immer dann, wenn der Leistungsempfänger tatsächlich und endgültig mehr oder weniger zahlt, infolge in Anspruch genommener Skonti, Boni oder Rabatte oder in Fällen einer Kaufpreisminderung. Ebenfalls zu einer Berichtigung führt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG die Uneinbringlichkeit der Forderung. Bisher wurde eine solche Uneinbringlichkeit auch von der Verwaltung in Abschn. 223 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UStR 2000 in den Fällen angenommen, in denen:
- der Schuldner zahlungsunfähig ist,
- der Forderung die Einrede des Forderungsverzichts entgegengehalten werden kann oder
- über das Vermögen des Leistungsempfängers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote.
Der BFH hat den Katalog der möglichen Uneinbringlichkeit nunmehr um den Fall erweitert, dass der Leistungsempfänger das Bestehen der Entgeltsforderung selbst oder deren Höhe substanziiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Forderung ganz oder zum Teil nicht bezahlen werde.
Wie er in seiner Zurückverweisung zwecks Sachverhaltsaufklärung an das FG jedoch deutlich gemacht hat, bedeutet ein substanziiertes Bestreiten nicht nur ein Behaupten, nicht zahlen zu brauchen. Vielmehr ist erforderlich, die Gründe für die Nichtzahlung darzulegen und inhaltlich zu belegen. Konsequenterweise musste in dem zugrunde liegenden Streitfall das FG die Prüfung nachholen, ob trotz konkretisierter Einwendungen des Leistungsempfängers gegen die Entgeltsforderung dennoch mit einer vollständigen Entgeltszahlung zu rechnen war. Es bleibt jedoch dabei, dass die alleinige Zahlungsverzögerung noch keine Uneinbringlichkeit von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG begründet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.5.2001, V R 71/99