a) Fiktion des Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL
Zwei "intra-EU" Fernverkäufe: Ähnlich ist die Lage, wenn ein nicht in der EU ansässiger Händler Waren über einen elektronischen Marktplatz an Endverbraucher verkauft und es sich um eine "Lieferung von Gegenständen innerhalb der Gemeinschaft" handelt. In diesem Fall fingiert Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL ebenfalls, dass der Marktplatz so behandelt wird, als ob er "diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert" hätte.
Auslieferung aus Warenlager in Deutschland: Das wäre z.B. der Fall, wenn H in dem unter V.1. dargestellten Beispiel seine Waren nicht von Dubai aus versenden würde, sondern in einem Lager in Deutschland deponiert, das vom Dienstleister M betrieben wird (der sowohl als Fulfillment-Dienstleister für die Lagerung und den Versand zuständig ist als auch als Marktplatz den Verkauf unterstützt) und diese Waren von hier aus an seine Kunden (Endverbraucher EV in Deutschland und in anderen MSen) ausliefern lässt. In diesem Fall wird aufgrund von Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL eine Lieferung von H an M fingiert und eine weitere Lieferung von M an EV.
b) Ergebnis bei Gleichbehandlung mit "vermitteltem" Umsatz
aa) Lieferung in andere Mitgliedstaaten
Zwei i.g. Fernverkäufe: Würden die Waren an EV in anderen MSen ausgeliefert, lägen in diesem Fall bei Zugrundelegung der unter III.1. dargestellten Überlegungen des BFH zwei innergemeinschaftliche Fernverkäufe i.S.d. Art. 14 Abs. 4 Nr. 1 MwStSystRL vor.
Lieferort außerhalb des Abgangsmitgliedstaats: Der Ort beider Lieferungen läge gem. Art. 33 Buchst. a MwStSystRL dort, wo die Waren zugestellt werden, also in den anderen MSen.
Anwendung der "EU-Regelung": H und M könnten gem. Art. 369b S. 1 Buchst. b MwStSystRL die "EU-Regelung" i.S.d. Art. 57a Nr. 2 MwStDVO anwenden.
Art. 136a MwStSystRL würde leerlaufen: Allerdings hätte die Vorschrift des Art. 136a MwStSystRL keinen Anwendungsbereich. Dieser zufolge wird in den Fällen des Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL die Lieferung des "Kommittenten" (hier H) an den "Kommissionär" (hier M) von der Steuer befreit. Folgt allerdings die steuerliche Behandlung der beiden fingierten Lieferungen der Behandlung der Lieferung ohne "Hinzutreten" des Kommissionärs, wären beide Lieferungen steuerpflichtig. Die Lieferungen des H an die EV in den anderen MSen wären nämlich (dort) steuerpflichtig. Es wäre also nicht nachzuvollziehen, was der Richtliniengeber mit Art. 136a MwStSystRL hätte regeln wollen.
bb) Lieferung innerhalb des Mitgliedstaates
Zwei Inlandslieferungen: Ähnliche Fragen würden sich stellen, wenn die Waren an EV in Deutschland ausgeliefert würden. Dann nämlich lägen bei Zugrundelegung der unter III.1. dargestellten Überlegungen des BFH zwei "normale" inländische steuerpflichtige Lieferungen vor.
Fraglich, welches Verfahren zu nutzen wäre: H müsste die Steuer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens erklären, während M gem. Art. 369b S. 1 Buchst. b MwStSystRL die "EU-Regelung" i.S.d. Art. 57a Nr. 2 MwStDVO anwenden könnte. Hier wäre schon fraglich, ob beide Beteiligte wegen der "Gleichbehandlung beider Lieferungen mit der Lieferung von H an die EV ohne Kommissionärsstruktur" das gleiche Verfahren, hier also das Veranlagungsverfahren, nutzen müssten.
Art. 136a MwStSystRL würde leerlaufen: Davon abgesehen würde aber auch in dieser Konstellation die Steuerbefreiung des Art. 136a MwStSystRL leerlaufen. Würden nämlich beide fingierte Lieferungen so behandelt wie die Lieferung ohne "Hinzutreten" des Kommissionärs, wären beide Lieferungen steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung der Lieferung des H an M könnte also nicht eingreifen.