Umsatzsteuerrechtliches Kommissionsgeschäft: Fiktion der ... / II. "Deutsche" Rechtslage

Hintergrund für die (zweite Vorlage-)Frage des BFH sind folgende Überlegungen.

1. Leistungsfiktion

Fiktion zweier Leistungen: Wenn Art. 28 MwStSystRL (§ 3 Abs. 11 UStG) anwendbar ist, wird für mehrwertsteuerliche Zwecke – abweichend vom Zivilrecht^[7] – fingiert, dass zwei gleichartige Dienstleistungen erbracht werden. Der "Kommittent" erbringt eine Dienstleistung an den "Kommissionär" und dieser eine ebensolche an den EV.^[8]

Bisherige nationale Rspr. nicht einheitlich: Unklar ist für den BFH allerdings, welche Folgen sich hieraus konkret ergeben.^[9] Diese Zweifel nähren sich insbesondere daraus, dass es offensichtlich bei der Auslegung der zugrunde liegenden Regelungen zu unterschiedlichen Auffassungen der beiden Umsatzsteuersenate des BFH gekommen ist.

[7] Zivilrechtlich tätigt der "Kommittent" einen Umsatz an den EV, während der "Kommissionär" eine (Vermittlungs-)Leistung an den "Kommittenten" erbringt. So hatte z.B. A im vorliegenden Verfahren ihre Umsätze zunächst auch für mehrwertsteuerliche Zwecke beurteilt; s. oben I.2.a. Zur zivilrechtlichen Situation vgl. u.a. Hahn in BeckOK UStG, 41. Ed. 16.6.2024, UStG § 3 Rz. 695.

[8] BFH v. 23.8.2023 – XI R 10/20, UR 2024, 162 Rz. 82 ff., u.a. mit Verweis auf EuGH v. 4.5.2017 – C-274/15 – Kommission/Luxemburg, UR 2017, 424 Rz. 84 ff. S. auch EuGH v. 14.7.2011 – C-464/10 – Henfling u.a., UR 2012, 470 Rz. 34 ff. Eine Sonderform der "Leistungskommission" stellen die Reiseleistungen i.S.d. § 25 UStG dar; vgl. Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, 100. EL März 2024, § 25 UStG Rz. 22.

[9] S. auch bereits Suabedissen, HFR 2020, 726 (731).

2. Vorentscheidungen des BFH

a) Gleichbehandlung beider (fingierter) Leistungen

Vorschriften für "besorgte Leistung" gelten für "Besorgungsleistung": So hat der V. Senat mit Urteilen vom 29.8.2002 und vom 2.3.2006 entschieden, dass auf die Besorgungsleistungen die für die besorgten Leistungen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, die Besorgungsleistung also grundsätzlich insgesamt wie die besorgte Leistung zu behandeln ist.^[10] Das hat der XI. Senat in einem Urteil vom 25.4.2018 bestätigt.

[10] Vgl. BFH v. 23.8.2023 – XI R 10/20, UR 2024, 162 Rz. 88.

aa) "Ferienwohnung", Entscheidung vom 29.8.2002

Steuerpflichtige Vermietungsleistung ohne ...: Würde der Inhaber einer Ferienwohnung F diese an den Mieter M vermieten, würde er eine (wegen § 4 Nr. 12 S. 2 UStG) steuerpflichtige Vermietungsleistung an M erbringen.

... und mit Kommissionär: Schaltet er bei der Vermietung den "Vermittler" V ein, der ggü. dem M im eigenen Namen (für Rechnung des F) handelt, erbringt F eine (fingierte, wegen § 4 Nr. 12 S. 2 UStG) steuerpflichtige Leistung an den V und dieser eine ebensolche (fingierte) steuerpflichtige Leistung an M.^[11]

[11] BFH v. 29.8.2002 – V R 8/02, UR 2002, 600 Rz. 17 ff.

bb) "Konsularservice", Entscheidung vom 2.3.2006

Nicht steuerbare Leistung ohne ...: Würde ein im Drittland ansässiges Unternehmen U Betreuungsleistungen an einen deutschen Kunden (den in das Drittland reisenden Unternehmer R) erbringen,^[12] läge der Leistungsort gem. § 3a Abs. 1 UStG im Ausland (die B2B-Regel des § 3a Abs. 2 UStG galt nach der Rechtslage, die für den Streitfall maßgeblich war, für solche Betreuungsleistungen noch nicht).

... und mit Kommissionär: Schaltet R den deutschen "Vermittler" V (Konsularservice) ein, damit dieser ihm die Betreuungsleistungen (und ggf. weitere erforderliche Dienstleistungen für seine Dienstreise) im eigenen Namen (für Rechnung des R) beschafft, liegt der Leistungsort für beide (fingierte) Leistungen gem. § 3a Abs. 1 UStG im Drittland^[13] (s. aber auch unten II.2.b.).

[12] Bei diesen Betreuungsleistungen handelte es sich insbesondere um Aufgaben, die U übernehmen musste, wenn ein Reisender (speziell bei Reisen in die Länder der "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten") vor Ort Probleme bekam, z.B. aufgrund von Krankheiten; vgl. BFH v. 2.3.2006 – V R 25/03, juris Rz. 3.

[13] BFH v. 2.3.2006 – V R 25/03, UR 2006, 585 Rz. 25 f. Die Vorschriften über Reiseleistungen (§ 25 UStG) kamen nach damaliger (deutscher) Auffassung bei Leistungen an Unternehmen nicht zur Anwendung.

cc) "Opernkarten", Entscheidung vom 25.4.2018

Steuerfreie Opernaufführung ohne ...: Entsprechend hat der XI. Senat in einem Urteil vom 25.4.2018 entschieden. Würde der Opernbesucher B eine Aufführung im Opernhaus O besuchen (also "eine Opernkarte kaufen"), wäre diese Leistung gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei.

... und mit Kommissionär: Schaltet B für den Kauf der Opernkarte die Ticketagentur V ein, die ihm die Eintrittskarte in ihrem eigenen Namen (für seine Rechnung^[14]) beschafft, ist die (fingierte) Leistung der O an die V ebenso gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei wie die (fingierte) Leistung der V an den B. Zwar gelte, so der BFH, die Steuerbefreiung nur für Leistungen eines "Veranstalters". Diese Eigenschaft würde aber – entsprechend den vorstehend (vgl. II.2.a.aa. und bb.) angeführten Entscheidungen – in der Leistungskette nach § 3 Abs. 11 UStG fingiert.^[15]

[14] Also für Rechnung des B.

[15] BFH v. 25.4.2018 – XI R 16/16, UR 2018, 794 Rz. 39. S. hierzu auch Rauch, HFR 2018, 818 (822).

b) Ausnahme "personenbezogene Merkmale"

Ansässigkeit des Kommissionärs wird nicht präjudiziert: Mit Urteil vom 18.11.2021 entschied der V. S...