1. Was im Unionsrecht steht
Unionsrecht ist deutlich: U.E. ergibt sich die "Unklarheit", die der BFH mit dem Vorlagebeschluss geklärt haben will, nicht aus dem Unionsrecht, sondern vielmehr daraus, dass die BFH-Senate z.T. (bisher insbesondere bzgl. der personenbezogenen Merkmale) offenbar unterschiedliche Ansätze verfolgen. Das Unionsrecht selbst ist im Hinblick auf die Behandlung der "Kommissionärsleistungen" relativ klar.
Fiktion zweier Leistungen ...: So sagt Art. 28 MwStSystRL (ebenso im Prinzip Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL) nichts weiter, als dass bei Einbindung eines "Kommissionärs", abweichend von den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen, eine Leistung des Kommittenten an den Kommissionär und eine Leistung des Kommissionärs an den Erwerber fingiert wird. Insofern ist der Wortlaut u.E. recht eindeutig. In Art. 28 MwStSystRL heißt es: "Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten."
... mit identischem Inhalt: Identisch ist hierbei lediglich der Leistungsinhalt (die Art der Leistung). Wird also ein "Vermittler" V für einen anderen Unternehmer U (zivilrechtlich: Auftraggeber oder Kommittent) beim Verkauf einer Leistung – z.B. beim Verkauf einer Spielwährung oder bei In-App-Verkäufen wie im vorliegenden Fall – als Kommissionär tätig, wird V so behandelt als habe er die Spielwährung bzw. die in der App übertragenen Inhalte von U erworben und an den Endkunden (im vorliegenden Fall EV) weiterverkauft. Mehr steht in Art. 28 MwStSystRL nicht.
2. Was nicht im Unionsrecht steht
a) Nach dem Wortlaut keine weitergehende Fiktionswirkung
Wortlaut ist klar eingegrenzt: Insbesondere steht in Art. 28 MwStSystRL (oder Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL) nicht, dass der Leistungsort für diese beiden Leistungen identisch ist oder dass V in der gleichen Eigenschaft handelt wie der Verkäufer (d.h., dass V, wenn U ein Opernveranstalter oder ein blinder Unternehmer i.S.d. § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG ist, ebenfalls wie ein Opernveranstalter oder ein blinder Unternehmer behandelt wird). Auch nicht im Wege der Fiktion. Fingiert wird allein die Leistungsbeziehung, d.h. eine Leistung vom Kommittenten an den Kommissionär und eine Leistung vom Kommissionär an den Kunden (jeweils mit gleichem Leistungsinhalt).
b) Übereinstimmende steuerliche Behandlung ist nicht geboten
Lt. BFH soll die Belastung nicht vom Vertriebsweg abhängen: Der XI. Senat führt in seinem Vorlagebeschluss zwar, wie oben (s. III.1.) dargestellt, aus, dass (nur) mit einer identischen Behandlung beider Umsätze sichergestellt werde, dass die steuerliche Belastung einer Leistung (Steuerbarkeit in einem MS, Steuerpflicht bzw. -freiheit) nicht vom Vertriebsweg abhinge.
Aus dem MwSt-Recht folgt kein "Gleichbehandlungsgebot": Woraus sich allerdings ergeben soll, dass das Mehrwertsteuerrecht stets eine identische Belastung der Beteiligten verlangt (unabhängig davon, in welcher Organisation oder Struktur die Lieferungen oder Leistungen vertrieben und erbracht werden), ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss nicht. Aus den mehrwertsteuerlichen Regelungen oder Prinzipien geht das jedenfalls nicht hervor. Die steuerliche Belastung von Umsätzen kann durchaus, abhängig von der Gestaltung und den Sachverhaltsumständen, unterschiedlich sein.
Freie Wahl der Organisation: Zwar verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Das hindert die Steuerpflichtigen aber nicht daran, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten unterschiedlich zu organisieren. Im Gegenteil sind Steuerpflichtige frei darin, für ihre wirtschaftliche Tätigkeit die Organisationsform zu wählen, die zu der geringsten Steuerlast führt. Es steht jedermann frei, Gestaltungen zu wählen, die eine möglichst geringe Steuerbelastung nach sich ziehen.
Unterschiedliche Belastung ist kein Widerspruch zum Grundsatz der Neutralität: Der Neutralitätsgrundsatz steht also einer unterschiedlichen Behandlung nicht entgegen, wenn wirtschaftliche Tätigkeiten unterschiedlich organisiert sind. Transaktionen müssen also in keiner Weise stets zum gleichen wirtschaftlichen Ergebnis führen. Das einfachste Beispiel ist, dass der Verkauf einer Bratwurst – je nachdem unter welchen Umständen er erfolgt – mal dem vollen Steuersatz (Verzehr an Ort und Stelle) und mal d...