Leitsatz
Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiert die Voraussetzungen der Ansässigkeit nicht abkommens-autonom, sondern durch ausdrückliche Anknüpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats.
Sachverhalt
Der Kläger ist gebürtiger Chinese und hat mit seiner in Deutschland geheirateten Ehefrau ein gemeinsames Kind. Die beiden Eheleute haben gemeinsam ein hochwertiges Grundstück in Deutschland erworben, in dem unstrittig die Ehefrau mit dem Kind lebt; der Kläger hat die Baukosten für das Gebäude von rund 3.000.000 EUR allein getragen. Der Kläger hat auch in China ein Grundstück und betreibt dort umfangreiche Investitionen in chinesische Kapitalgesellschaften, die zu hohen Gewinnausschüttungen in den Streitjahren geführt haben. Der Kläger behauptet, seinen Wohnsitz ausschließlich in China zu haben, sodass sich keine Steuerpflicht der Dividenden in Deutschland ergäbe.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und muss daher die Dividenden im Inland versteuern. Er hat eine Wohnung in Deutschland inne, die nach objektiven Maßstäben dauerhaft genutzt und beibehalten wird; aus den Unterlagen ergibt sich eine Nutzung an mehr als 90 Tagen pro Jahr. Sein Wille, an diesem Platz keinen Wohnsitz zu begründen, ist irrelevant; maßgeblich sind allein die tatsächlichen Lebensverhältnisse. Das DBA-China weist ebenfalls Deutschland das Besteuerungsrecht zu, da es gem. Art. 4 Abs. 1 DBA-China keine eigenständige Definition der Ansässigkeit vornimmt, sondern an das innerstaatliche Recht – hier von Deutschland – anknüpft; in China dagegen ist der Kläger nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Die Prüfung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) ist somit nicht mehr notwendig, da der Kläger bereits nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat (hier Deutschland) ansässig ist.
Hinweis
Das Urteil vermag nicht zu überraschen, da es sowohl dem AEAO als auch der BFH-Rechtsprechung entspricht. Problematisch war hier das Feststellen der tatsächlichen Nutzung der inländischen Wohnung. Das Urteil verdeutlicht die weitgreifenden Prüfungsmöglichkeiten der Steuerfahndung, die über eine genaue Prüfung der Unterlagen, Abgleich des Reisepasses, Beobachtung der Ehefrau, die den gemeinsamen Sohn zur Schule bringt, Überprüfung von Kreditkartenabrechnungen, Geschwindigkeitsüberschreitungen und Arztbesuchen, Auswertung des privaten Laptops bis hin zu Beweisfotos einer ehelichen Lebensgemeinschaft reichen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 04.08.2022, 1 K 2898/21