Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Eine unentgeltliche Wertabgabe ist auch bei Fahrzeugen zu besteuern, die nur dem hälftigen Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1b UStG a.F.) unterlagen, wenn der Unternehmer aus laufenden Betriebskosten den Vorsteuerabzug vorgenommen hat.
Sachverhalt
Der Unternehmer erwarb 2001 ein Fahrzeug, das er sowohl für unternehmerische wie auch für private Fahrten nutzte. Entsprechend der bis 2004 geltenden Rechtslage konnte er aus den Anschaffungskosten nur die Hälfte des Vorsteuerabzugs geltend machen (§ 15 Abs. 1b UStG a.F.). Ab 2004 wurde aus allen Betriebskosten der volle Vorsteuerabzug vorgenommen, eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für die Anschaffungskosten aber nicht geltend gemacht. Wegen der vermeintlich unklaren Formulierung der Übergangsregelung des § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG unterwarf der Kläger die private Nutzung aber nicht der Besteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG; die Finanzverwaltung erhob eine Umsatzsteuer auf die anteiligen Betriebskosten, soweit sie den Vorsteuerabzug zugelassen hatten. Dagegen richtete sich die Klage.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Nach Wegfall der Beschränkung des Vorsteuerabzugs auf 50 % bei den sowohl unternehmerisch und privat genutzten Fahrzeugen ergab sich für die Unternehmer die Möglichkeit, den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten über die Vorsteuerberichtigung (anteilig) geltend zu machen. Die Vorsteuerbeträge aus den laufenden Betriebskosten konnten vollständig geltend gemacht werden. Obwohl § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG nur auf die ab dem 1.1.2004 anfallenden Vorsteuerbeträge Bezug nimmt, muss nach Auffassung des Gerichts systemgerecht auch in den Fällen, in denen der Vorsteuerabzug in vollem Umfang geltend gemacht wird, eine Besteuerung der privaten Nutzung erfolgen.
Das Finanzgericht stellt den systematischen Zusammenhang zwischen § 15 Abs. 1b UStG a.F. und § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG a.F. heraus. Bei Kappung des Vorsteuerabzugs durch § 15 Abs. 1b UStG a.F. bedarf es keiner Korrektur des Vorsteuerabzugs durch Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Umgekehrt führt der volle Vorsteuerabzug auch zum Erfordernis einer Korrektur nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG durch Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe.
Da der Kläger keine Aufzeichnungen über den Anteil der privaten Nutzung vorlegen konnte, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Finanzverwaltung diesen Anteil sachgerecht mit 50 % der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Aufwendungen schätzt.
Hinweis
Es handelt sich bei dem Verfahren zwar um einen "Altfall", der nur für die Fahrzeuge eine Bedeutung hat, die unter der Vorsteuerkappung des § 15 Abs. 1b UStG angeschafft worden sind (bis max. Ende 2004). Soweit diese Fahrzeuge dann aber auch noch später verwendet worden sind, ergibt sich das Problem, ob aus dem vollen Vorsteuerabzug für die laufenden Kosten eine Besteuerung der privaten Nutzung folgt. Das Niedersächsisches FG, Urteil v. 15.12.2011, 5 K 180/11, EFG 2012 S. 563) war zu dem Ergebnis gekommen, dass in diesen Fällen § 27 Abs. 5 UStG die Besteuerung der privaten Nutzung ausschließt. Das Sächsische Finanzgericht sah hingegen in der Formulierung des § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG keinen Ausschluss der Möglichkeit, eine unentgeltliche Wertabgabe insoweit zu besteuern, wie ein vollständiger Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist.
Da das Sächsische Finanzgericht von der Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts abgewichen ist, wurde Revision gegen das Urteil zugelassen (anhängig beim BFH unter XI R 29/12).
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 05.06.2012, 3 K 927/11