Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Ab Kenntnis vom Entfallen einer Unsicherheit hat das Finanzamt ein Jahr Zeit, die steuerlichen Konsequenzen zu ziehen.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb in 1998 eine Eigentumswohnung. Nach der Sanierung erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Veranlagung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Das Belegenheitsfinanzamt führte eine Außenprüfung durch und erließ im März 2005 einen Feststellungsbescheid, gegen den der Kläger Einspruch und Klage erhob. 2007 wurde die Klage zurückgenommen. Das Einkommensteuerfinanzamt fügte den Einkommensteuerfestsetzungen, nachdem es von der Außenprüfung erfahren hatte, im März 2004 einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO bei und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Als Grund für den Vorläufigkeitsvermerk wurde angegeben, dass die Aufteilung der Anschaffungskosten nicht abschließend beurteilt werden könne. Im Juli 2005 teilte das Belegenheitsfinanzamt die Besteuerungsgrundlagen mit und erklärte die Außenprüfung für abgeschlossen, im September 2005 erfuhr das Wohnsitzfinanzamt vom Einspruchsverfahren, im Oktober 2008 von der Klagrücknahme. Im Dezember 2008 änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzungen unter Hinweis auf den bestehenden Vorläufigkeitsvermerk.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 171 Abs. 8 AO ende die Festsetzungsfrist für eine nach § 165 AO vorläufig festgesetzte Steuer nicht vor Ablauf eines Jahres, nach dem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzverwaltung hiervon Kenntnis erlangt. Die Kenntnisnahme sei hier erfolgt, als das Finanzamt Kenntnis von der Klagerücknahme erhalten habe. Insofern sei eine Änderung hier noch möglich gewesen.
Hinweis
Gemäß § 171 Abs. 8 AO hat das Finanzamt bei einer Steuer, die unter dem Vorbehalt nach § 165 AO steht, ein Jahr Zeit eine Änderung durchzuführen. Dieses Jahr beginnt dabei zu laufen mit der Kenntnis des Finanzamts von dem Ende der Ungewissheit. Maßgeblich ist also nicht das Ende der Ungewissheit, sondern die Kenntnis des Finanzamts von dieser. Der Grund für diese Bestimmung ist darin zu sehen, dass dem Finanzamt eine hinreichende Frist für die Umsetzung der steuerlichen Konsequenzen aus dem Wegfall der Ungewissheit gewährt werden soll (Frotscher, in Schwarz, AO, § 171 AO Rz. 69). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts wurde dem Finanzamt die Klagrücknahme, die hier zur Beseitigung der Unsicherheit führt, im Oktober 2008 bekannt, so dass eine Änderung im Dezember 2008 fraglos noch zulässig war. Warum die in 2007 erfolgte Klagerücknahme dem Finanzamt so spät bekannt wurde, ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Auf der Grundlage der bekannten Tatsachen, ist die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg zweifellos zutreffend. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.06.2013, 10 K 10059/10