Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 56 Abs. 1 EG (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 % (Streubesitzbeteiligungen) stammen, der Bemessungsgrundlage wieder hinzugerechnet werden, wenn und soweit diese Dividenden in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind, während hinsichtlich solcher Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat stammen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer kein Abzug und folglich auch keine (Wieder-)Hinzurechnung der Dividenden stattfindet?

 

Normenkette

§ 7 Satz 1, § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 7, § 36 Abs. 4 GewStG, Art. 56 Abs. 1 EG, Art. 63 Abs. 1 AEUV

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine der KSt und der GewSt unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts, die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Im Jahr 2001 (Streitjahr) war die Klägerin u.a. an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften mit Beteiligungsquoten von jeweils weniger als 10 % (Streubesitz) unmittelbar beteiligt. Von diesen Gesellschaften erhielt sie im Streitjahr Dividenden i.H.v. insgesamt ... DM.

Des Weiteren war die Klägerin an verschiedenen Wertpapier-Sondervermögen (Investmentfonds) beteiligt, von denen sie im Streitjahr ebenfalls Ausschüttungen erhielt. Die Fondsausschüttungen beruhten i.H.v. insgesamt ... DM auf Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften, an denen die Investmentfonds zu weniger als 10 % beteiligt waren.

Mit Antrag vom April 2004 übte die Klägerin das Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen zustehende sog. Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 1 KStG n.F. dahin aus, dass § 8b Abs. 8 KStG in der in § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. niedergelegten Fassung bereits für die VZ 2001 bis 2003 gilt. Dies hatte zur Folge, dass 20 % der Dividendeneinnahmen aus den Streubesitzbeteiligungen an den ausländischen Kapitalgesellschaften gemäß § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des für die KSt maßgeblichen Gewinns nicht zu berücksichtigen waren.

Im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der GewSt – dem Gewerbeertrag – legte das FA gemäß § 7 Satz 1 GewStG im Ausgangspunkt den nach den Vorschriften des KStG zu ermittelnden Gewinn zugrunde. In Anwendung des § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG rechnete das FA diesem Ausgangsbetrag jedoch jene 20 % der der Klägerin zugeflossenen Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften, die bei der Ermittlung des körperschaftsteuerrechtlichen Gewinns nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz zu bleiben hatten, wieder hinzu. Auf dieser Grundlage stellte das FA den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin zum 31.12.2001 gesondert fest.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG für den EZ 2001 sei wegen Verstoßes gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit ausgeschlossen. Sie leitet dies aus dem Umstand ab, dass die Bestimmung des § 8b Abs. 1 KStG im Jahr 2001 für Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften noch nicht anwendbar gewesen ist, sodass es in diesen Fällen auch nicht zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG hat kommen können. Die faktisch vom Sitz der ausschüttenden Gesellschaft abhängende unterschiedliche zeitliche Anwendbarkeit der Regelung führe zu einer Diskriminierung der Auslandssachverhalte.

Außerdem hält die Klägerin die durch § 36 Abs. 4 GewStG angeordnete Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG bereits ab dem EZ 2001 wegen Verstoßes gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) für verfassungswidrig, soweit von der Hinzurechnung auch Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an die Klägerin oder die Investmentfonds erfasst werden, die bis zum 11.12.2001 (Zeitpunkt der Vermittlungsempfehlung bezüglich § 8 Nr. 5 GewStG im Gesetzgebungsverfahren) erfolgt sind.

Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.1.2018, 6 K 145/16, Haufe-Index 11659051, EFG 2018, 1041).

 

Entscheidung

Das FA hat Revision eingelegt. Der BFH hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH angerufen, damit dieser entscheidet, ob im Streitfall ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben ist.

 

Hinweis

1. Der Vorlagebeschluss ist unmittelbar nur für Altfälle relevant. Seine übergeordnete rechtliche Bedeutung besteht aber darin, dass der EuGH Gelegenheit erhalten wird, den Rechtfertigungsgrund der "Kohärenz des Steuersystems" näher zu beleuchten.

2. Unmittelbar nur für Altfälle relevant ist der Beschluss deshalb, weil es nur in einem Jahr, nämlich im Jahr 2001, zu einer gewerbesteuerrechtlichen "Andersbehandlung" von Auslands- und Inlandsdividenden kam:

a) Bezog eine inländische Körperschaft im Jahr 2...

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