2.1 Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten
Unterhaltsberechtigt ist nur, wer sich selbst nicht unterhalten kann. Im Rahmen der konkreten Bedarfsbemessung genügt es, dass der Bedürftige die in den einzelnen Lebensbereichen anfallenden Kosten überschlägig darstellt, sodass sie nach § 287 ZPO, der über § 113 Abs. 2 FamFG Anwendung findet, vom Gericht geschätzt werden können.
2.1.1 Kinder
Bedürftig ist ein Kind, wenn
- es nicht erwerbstätig sein darf (Minderjährigkeit) oder nicht erwerbstätig sein kann (krankes oder behindertes Kind),
- es sich in einer (ersten) Ausbildung befindet.
Kinder ohne Schul- und Berufsausbildung
Geht ein volljähriges Kind weder einer Schul- noch Berufsausbildung nach, muss es grundsätzlich für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen und dabei jede Arbeitsmöglichkeit ausnutzen, um sich selbst zu finanzieren.
Ist ein minderjähriges Kind nicht mehr schulpflichtig und befindet es sich auch nicht in Ausbildung, so ist es trotz der Minderjährigkeit verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sofern die Arbeitsaufnahme mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz zu vereinbaren ist und keine gesundheitlichen Gründe einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen.
Volljährige Kinder, die ein freiwilliges soziales Jahr oder Ähnliches durchlaufen, das für den beabsichtigten Beruf nicht erforderlich ist, sind nicht unterhaltsbedürftig. Nach Beendigung einer Ausbildung kann das Kind nur für eine gewisse Übergangszeit Unterhalt von seinen Eltern verlangen, wenn es trotz ausreichender Bemühungen nicht gleich einen Job findet.
Hat der Vater eines volljährigen Kindes keine Kenntnis über dessen Absicht, ein Studium aufzunehmen, und hat das Kind, das nach Erlangung der Hochschulreife eine studiennahe Berufsausbildung absolviert und über einen nicht unerheblich langen Zeitraum (hier über zwei Jahre) in dem erlernten Beruf gearbeitet hat, besteht kein Anspruch auf weitergehenden Ausbildungsunterhalt.
Zur Deckung seines Unterhalts muss das Kind seine eigenen vorhandenen Mittel einsetzen (Einkünfte aus Kapitalvermögen, Erbschaften oder Einkünfte aus zumutbarer Erwerbstätigkeit). Vermögen muss verwertet werden, soweit dies nicht ganz unwirtschaftlich ist. Ein minderjähriges Kind braucht den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten.
Das Kindergeld Kmuss zur Deckung des Barbedarfs verwendet werden:
- zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kinds erfüllt;
- in allen anderen Fällen in voller Höhe.
Der volljährige Unterhaltsberechtigte kann den Anspruch auf Auskehr des Kindergelds gegen einen Elternteil, gegen den ein Titel über Barunterhalt besteht, ohne ein Abänderungsverfahren eigenständig geltend machen. Eine Ausbildungsvergütung des unterhaltsberechtigten Kinds wird angerechnet. Abgezogen wird der konkret nachzuweisende ausbildungsbedingte Mehrbedarf.
Ausbildungsbedingter Mehrbedarf
Bei einem Kind, das in Berufsausbildung ist und bei einem Elternteil lebt, wird ein ausbildungsbedingter Mehrbedarf von 100 EUR angenommen.
Kosten für den längerfristigen Besuch von Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut (Therapie einer Lese-Rechtschreib-Schwäche) können unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf begründen. Für berechtigten Mehrbedarf eines minderjährigen Kindes haben grundsätzlich beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen.
Darlehen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz werden auf den Unterhaltsbedarf volljähriger Kinder angerechnet, da sie im Rahmen der Selbsthilfe und der Zumutbarkeit ihre Unterhaltsbedürftigkeit abwenden müssen.
Unterhaltsberechtigung entfällt nicht bei späterem Beginn wegen Schwangerschaft
Der Unterhaltsberechtigte verliert den Ausbildungsunterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern nicht deshalb, weil er infolge einer Schwangerschaft und der anschließenden Kindesbetreuung seine Ausbildung verzögert beginnt. Das gilt jedenfalls insoweit, als der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung nach Vollendung des 3. Lebensjahrs des Kindes – ggf. unter zusätzlicher Berücksichtigung einer angemessenen Übergangszeit – aufnimmt.
Zum Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs bei 4-jähriger Ausbildungsunterbrechung, wenn die Voraussetzungen eines vorübergehenden Versagens des Kindes nicht vorliegen, hat das OLG Koblenz zugunsten des Kindes entschieden. Im konkreten Fall hatte ein Mädchen 4 Jahre mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr, einem Praktikum in einem Kindergarten und einem berufsvorbereitenden Lehrgang der Deutschen Angestellten Akademie verbracht. Dann aber arbeitete sie 2½ Jahre als Zimmermädchen, holte ihren Realschulabschluss nach und begann mit der Ausbildung zur Sozialhelferin an einem Berufskolleg. Hierfür wollte sie von ihrem Vater Unterhalt.
Höherer Selbstbehalt bei Zahlungen an erwachsenes Kind
Wird der Unterhaltspflichtige von seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbstständigkeit wie...