Nachsteuerrelevanz für Mehrabführungsbeträge oberhalb des Buchwerts: Wegen des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels zur Behandlung von Mehrabführungen kommt aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht eine Nachsteuerrelevanz für Mehrabführungsbeträge oberhalb des Buchwerts in Betracht, die sich
a) Behaltensregelungsverstoß (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG)?
Für einen steuerschädlichen Behaltensregelungsverstoß gem. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG spricht die vorgreifliche körperschaftsteuerliche Methodik eines Veräußerungsgewinns für Mehrabführungen oberhalb des Buchwerts. Beachten Sie: Gerade die Anlehnung des Nachsteuertatbestands an die ertragsteuerlich geprägten Begriffe "Veräußerung", "Aufgabe des Gewerbebetriebs" oder "wesentliche Betriebsgrundlage" bestärkt eine solche Auslegung.
Beraterhinweis Weil der Behaltensregelungsverstoß für Betriebsgrundlagenverfügungen sich bei vertikalen mehrstufigen Kapitalgesellschaftsbeteiligungsbesitz auf die 1. Ebene unterhalb der Spitzengesellschaft bezieht und beim BV-Erwerb keine weiteren Nachsteuererfordernisse hinzutreten, kann die Mehrabführung damit die Brisanz definitiver steuerverschonungsschädlicher Wirkung besitzen, wenn sich keine guten Argumente für die Reinvestitionsklausel gem. § 13a Abs. 6 S. 3–4 ErbStG finden lassen.
Gegen die Annahme eines solchen Behaltensregelungsverstoßes kann demgegenüber die Sichtweise sprechen, dass der Nachsteuertatbestand
- eine reale Wirtschaftsgutverfügung oder
- eine die wesentliche Betriebsgrundlage betreffende tatsächliche Bewegung
voraussetzt. Das Einlagelösungsmodell repräsentiert jedoch für Mehrabführungen eine systemische Veränderung zur Sofortbesteuerung von Mehrabführungen oberhalb des Buchwerts anstatt eines bisherigen Steuerstundungsmodells und folglich keinen derartigen tatsächlichen Geschehensablauf.
b) Ausschüttungsbegrenzung (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG)?
Bezüglich des Nachsteuertatbestands aus § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG unterfällt die Mehrabführung der Organgesellschaft nicht unmittelbar der Ausschüttungsbegrenzung, da die Prüfung der Überentnahme oder Übermaßausschüttung sich bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen auf die Spitzeneinheit konzentriert, wo sich die Betriebsergebnisse aus Unterbeteiligungen im Steuerbilanzgewinn der Obergesellschaft als maßgebende Determinante auswirken.
c) Signifikante und (möglicherweise unerwünschte?) Auswirkungen des Einlagelösungsmodells auf die Überentnahmeprüfung
Dennoch ergeben sich signifikante und möglicherweise unerwünschte Auswirkungen des Einlagelösungsmodells auf die Überentnahmeprüfung:
Denn bisher wurde die gewinnwirksame Mehrabführung, die durch den im Vergleich zum Steuerbilanzgewinn höheren abgeführten Handelsbilanzgewinn der Organgesellschaft verursacht ist (§ 14 Abs. 4 S. 6 KStG), innerhalb der Steuerbilanz des Organträgers durch die aufwandswirksame Einbuchung des passiven organschaftlichen Ausgleichsposten kompensiert und hierdurch der Steuerbilanzgewinn beim Organträger wieder reduziert. Der mehrabgeführte Handelsbilanzgewinn war dadurch nicht im Hinblick auf die Entnahmebegrenzung verschonungserhaltend entnahmefähig.
Beachten Sie: Weil
- sich die Einlagelösung bei Mehrabführungen hinsichtlich des oberhalb des Buchwerts liegenden Mehrbetrags als Beteiligungsertrag im Steuerbilanzgewinn beim Organträger auswirkt und
- nach dem Systemwechsel eben nicht gegen einen organschaftlichen Ausgleichsposten gebucht wird,
zeigen sich bei unveränderter Anwendung der Entnahmebegrenzungsregelung beachtlich höhere und steuerverschonungsunschädliche Entnahme- und Ausschüttungspotentiale aus dem Vermögen des Organträgers.
Beraterhinweis Dieses sicherlich unerwünschte Resultat, welches sich aus der Bilanzierungsfolge der Einlagelösungsmethode ergibt, kann wiederum für die Annahme einer Nachsteuerbedeutung aus § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG sprechen. Denn zumindest bei "Auszehrung" des durch Mehrabführungen angereicherten Organträgervermögens mittels Entnahmen oder Ausschüttungen an die Gesellschafter der Organträgergesellschaft sind Nachsteuerrelevanzen berechtigt. Vielleicht wird aber auch der Gesetzgeber mit einer Verschärfung von § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG zum sog. "Durchschüttungseffekt" neuerlich auf den Plan gerufen.