Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Steuerfähigkeit
Steuerfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, Träger von steuerlichen Rechten und Pflichten zu sein. Steuerfähig ist, wer im Rahmen einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Leistungen erbringen kann. Somit kann jedes Wirtschaftsgebilde Unternehmer sein, wenn es nach außen hin in Erscheinung tritt und als solches gewerbliche oder berufliche Leistungen gegen Entgelt erbringt. Hauptsächlich treffen diese Voraussetzungen auf die natürlichen Personen und die juristischen Personen sowie die Personenzusammenschlüsse in Form der Personenhandelsgesellschaften zu. Soweit sie Träger von Rechten und Pflichten sein können, sind auch andere Zusammenschlüsse (z. B. Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Arbeitsgemeinschaften, Stiftungen) steuerrechtsfähig, soweit sie Dritten gegenüber in Erscheinung treten.
2.2 Voraussetzungen für die Unternehmereigenschaft
Beim Unternehmerbegriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Um Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG zu erlangen, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss eine selbstständige Tätigkeit ausgeführt werden.
- Die Tätigkeit muss nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeführt werden. Dies bedeutet, dass eine auf bestimmte Dauer ausgerichtete Tätigkeit auf die Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils gerichtet sein muss.
Unternehmereigenschaft ist rechtsformneutral, Rechtsfähigkeit ist nicht erforderlich
Die Unternehmereigenschaft ist unabhängig von der Rechtsform. So können natürliche Personen, Zusammenschlüsse von natürlichen Personen sowie juristische Personen des privaten wie auch des öffentlichen Rechts Unternehmer sein. Nach gesetzlicher Klarstellung zum 1.1.2023 ist die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nicht Voraussetzung für die Unternehmereigenschaft.
2.2.1 Selbstständigkeit
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG kann nur eine selbstständige Tätigkeit zur Unternehmereigenschaft führen. Die Frage, wann eine Tätigkeit selbstständig ausgeübt wird, wird dabei im Umsatzsteuerrecht nicht positiv, sondern über § 2 Abs. 2 UStG negativ abgegrenzt. Die Tätigkeit wird danach in den folgenden Fällen nicht selbstständig ausgeführt:
- Eine natürliche Person ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG in ein Unternehmen so eingegliedert, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist. Dabei kann es sich bei der eingegliederten Person um eine Einzelperson oder einen Personenzusammenschluss handeln. Maßgeblich ist dabei immer das Gesamtbild der Verhältnisse.
- Eine juristische Person ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert. In diesem Fall liegt eine Organschaft im Umsatzsteuerrecht vor.
Nach Unionsrecht sind auch Personengesellschaften eingliederungsfähig
Nach der ausdrücklichen nationalen Regelung können nur juristische Personen unselbstständig in ein anderes Unternehmen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eingegliedert sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH können auch Personengesellschaften grundsätzlich eingliederungsfähig sein. Nachdem der BFH nachfolgend festgelegt hatte, dass neben einer juristischen Person auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, hatte die Finanzverwaltung dies – bis 31.12.2018 im Rahmen eines Wahlrechts und ab 1.1.2019 zwingend – nach diesen Vorgaben umgesetzt. Diese sehr enge Umsetzung ist aber vom EuGH erneut verworfen worden. Danach ist die enge Sichtweise des BFH und der Verwaltung mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Eine Personengesellschaft kann auch dann in einen Organkreis unselbstständig eingegliedert sein, wenn nicht alle Anteile an der Personengesellschaft im Organkreis gebunden sind.
Für die Frage, ob eine natürliche Person im Einzelfall selbstständig oder nicht selbstständig tätig wird, kommt es immer auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Die Beurteilung muss somit immer die Besonderheiten des Einzelfalls würdigen. Dabei müssen alle Umstände, die für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen, gegeneinander abgewogen werden. Für eine Arbeitnehmereigenschaft können danach insbesondere folgende Merkmale sprechen: persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, Eingliederung in den Betrieb, feste Arbeitszeiten und feste Bezüge, Überstundenvergütungen, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, Urlaubsanspruch und Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, kein Unternehmerrisiko und keine Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz und keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern.